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Zucker ist in aller Munde – und auch längst in der politischen Diskussion angekommen. Sowohl auf EU-Ebene als auch in der Bundespolitik wird Zucker aus Sicht der Verbraucherschutz -, Ernährungs- und Gesundheitspolitik zunehmend kritisch gesehen. So hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gemeinsam mit einer Vielzahl von Experten und Verbänden, die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten (NRI) erarbeitet. Ende 2018 wurde die Strategie dem Bundeskabinett vorgelegt und durch dieses auch angenommen. Es wird angestrebt bis 2025 die Reduktion von Zucker in bestimmten Getränkekategorien, in Frühstückscerealien für Kinder und in gesüßten Milchprodukten, die sich im Speziellen an Kinder richten, zu erreichen.

Auch auf europäischer Ebene rückt Zucker in den Fokus der politischen Betrachtung. Dieser Beitrag beleuchtet ein aktuelles Verfahren auf EU-Ebene und die dabei zentrale European Food Safety Authority (EFSA), welches langfristig gesehen auch einen substanziellen Einfluss auf Produzenten und Importeure von Produkten in der Europäischen Union haben kann. Zusammenfassend zeigt sich, dass durch die Internationalisierung und Europäisierung von Prozessen im Hinblick auf Ernährung und Verbraucherschutz drei Entwicklungen eintreten:

  • Verfahren laufen lange Zeit unbemerkt, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen
  • Gerade Mittelständler werden zumeist erst sehr spät auf derartige Verfahren aufmerksam, was die Handlungsmöglichkeiten erheblich einschränkt.
  • Für eine Beeinflussung von derartigen Gesetzesinitiativen auf Ebene der nationalen Politik gibt es dann allenfalls nur einen eng definierten Spielraum, da die europäischen Vorgaben von den nationalen Regierungen mindestens umgesetzt werden müssen.

Europäische und internationale Verfahren haben also einen signifikanten Einfluss auf nationale Regulierung und damit auf Unternehmen haben, der trotz 70 Jahren europäischer Integration mitunter unterschätzt wird. Daher zeigt der weitere Text drei Punkte am Beispiel der EFSA auf, die es für eine effektive Interessensvertretung bei solchen Verfahren zu beachten und zu beherzigen gilt.

Zucker und die Europäische Union – Die EFSA erarbeitet neue Grenzwerte

Die EFSA ist eine Agentur innerhalb der Europäischen Union, die sich wissenschaftlich mit einer Vielzahl von Fragen rund um die Zulassung und Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln auseinandersetzt. Sie soll mit ihren Erkenntnissen sowie Ergebnissen die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und einzelne Mitgliedsstaaten beraten. Diese drei Akteursgruppen können auch Anträge an die EFSA stellen, bestimmte Produkte bzw. Stoffe erstmalig oder erneut zu untersuchen und wissenschaftliche Einschätzungen zu erarbeiten. Darüber hinaus kann die EFSA auch selbstständig aktiv werden. Wichtig ist, dass sie eigenständig über die Bearbeitung dieser Anträge entscheiden kann.

Seit 2017 beschäftigt sich die Agentur erneut mit zugesetztem Zucker in Lebensmitteln. Ausgangspunkt war der Antrag mehrerer skandinavischer Staaten, eine wissenschaftliche Beurteilung von Zuckerzusätzen durch die EFSA erarbeiten zu lassen. Dazu wurde gemäß dem definierten Verfahren zuerst ein wissenschaftliches Protokoll erstellt, welches 2018 einer ersten öffentlichen Konsultation unterzogen worden ist. Der weitere Zeitplan sah vor, dass bis Ende 2019 ein Entwurf des finalen EFSA-Gutachtens veröffentlicht und der Öffentlichkeit erneut Möglichkeit gegeben werden sollte, in einer Konsultation ihre Positionen in den Prozess einzubringen. Aufgrund der Vielzahl der öffentlichen Einsendungen in der ersten Runde und der Sondersituation im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemie hat sich die Eröffnung dieses Konsultationsverfahrens aber auf Mitte des Jahres 2021 verschoben. Nach Abschluss und Auswertung der Ergebnisse dieses Verfahrens und der Finalisierung soll die finale Bewertung bis zum Ende des Jahres 2021 vorliegen.

Das Verfahren klingt zunächst sehr technisch, bürokratisch und weit vom Verbraucher entfernt, wie so oft lohnt aber ein Blick auf die Einzelheiten: So werden die wissenschaftlichen Begutachtungen der EFSA nicht nur von der Europäischen Kommission bei der Erstellung von Gesetzesvorschlägen, sondern auch von nationalen Behörden herangezogen. Für den konkreten Fall Zucker: Das von der EFSA erklärte Ziel dieser Studie ist es, eine „tolerierbare Höchstaufnahmemenge für…Zucker in Lebensmitteln festzulegen, sofern die vorgelegten Daten dies zulassen“. Wie beschrieben, ist nicht auszuschließen, dass diese Ergebnisse von nationalen Behörden für Empfehlungen über den Verzehr von Zucker als auch für die Erarbeitung von speziellen Ernährungsleitlinien werden. Sie können damit also mittelfristig direkte Konsequenzen für Industrie und Konsumenten haben. Dies zeigt auf, welch großen Einfluss so ein final erarbeitetes Gutachten seitens der EFSA haben kann. Da dieses Verfahren noch läuft, können sich betroffene Unternehmen nach wie vor einbringen, eine umfassende Einflussnahme ist allerdings zu diesem relativ späten Zeitpunkt nur noch begrenzt möglich.

Um solch eine Situation zu verhindern – nämlich erst in der letzten Konsultationsphase aktiv zu werden oder diese gar komplett zu verpassen – gilt es, drei Dinge zu beachten: Zum einen bedarf es eines guten „Frühwarnsystems“ durch das kontinuierliche Monitoring der politischen Diskussion in der Europäischen Union und der Aktivitäten der EFSA. Solche Diskussionen, die in Mitgliedsstaaten oder auf europäischer Ebene geführt werden, können ein Indikator dafür sein, womit sich die EFSA in Untersuchung in der näheren Zukunft beschäftigen könnte. In diesem Zusammenhang ist es außerdem wichtig, immer am Puls des Geschehens zu sein und sich aktiv mit wichtigen Entscheidungsträgern im Bereich Zucker auszutauschen, die wiederum Einfluss auf die EFSA nehmen können. Zweitens ist eine enge Begleitung des tatsächlichen Prozesses der EFSA – sowie anderer Verfahren auf EU-Ebene – notwendig, da auch die erste öffentliche Konsultation Unternehmen offensteht. So können sie ihre Argumente und Informationen auf eine transparente Art und Weise in den Prozess einbringen. Dies bedarf ebenfalls einer vielseitigen und erfahrenen Beratung, um möglichst maßgeschneidert und glaubwürdig die Argumente in dem Verfahren vorzubringen. Abschließend ist der generelle Hinweis zu beachten, dass die Reputation der EFSA durch schwierige Methoden der Interessensvertretung zumindest gelitten hat. Daher hat auch die (lobbykritische) Öffentlichkeit einen genauen Blick auf die Vorgänge rund um die EFSA und die Erarbeitung sensibler Bewertungen. Daher ist hier ein besonderes Fingerspitzengefühl vonnöten, um Unternehmen bei der Positionierung ihrer Argumente durch spezialisierte Beratungen zu unterstützen.

Wenn man diese drei Dinge beherzigt und um das Einflusspotenzial der EFSA sowie anderer europäischer Institutionen weiß, dann ist man als Unternehmen gut für zukünftige Entwicklungen aufgestellt und kann sowohl zeitnah als auch präzise auf neue Initiative reagieren.

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