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Aktuell richten sich viele Blicke auf Sachsen-Anhalt: Ministerpräsident Reiner Haseloff hat den Medienstaatsvertrag – und damit die Erhöhung des Rundfunkbeitrags – gestoppt, indem er den Gesetzesentwurf zur Ratifizierung zurückgezogen hat. Damit ist die Koalition in Sachsen-Anhalt gerettet, der neue Medienstaatsvertrag kann jedoch auch in den übrigen Bundesländern nicht in Kraft treten. Wieso kommt einem einzelnen Landtag eine solche Sprengkraft für einen bundesweiten Staatsvertrag zu? Und was bedeutet das für Organisationen und Unternehmen, deren Aktivitäten durch Staatsverträge reguliert werden?

Generell werden Staatsverträge zwischen allen Bundesländern angestrebt, wenn einheitliche, landesübergreifende Regelungen das Ziel sind. Sie regeln Politikfelder, welche in die Kompetenz der Länder fallen, wo eine Zusammenarbeit zwischen den Ländern aber sinnvoll oder praktisch notwendig ist. Prominente Beispiele sind der Glücksspielstaatsvertrag, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag oder eben der Medienstaatsvertrag.

Verhandelt werden Staatsverträge von den Ministerpräsidenten, wobei die Verhandlungen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) durch Verhandlungen auf der Ebene der Chefs der Staatskanzleien vorbereitet werden. In vielen Bundesländern wird der Landtag ebenfalls vor Unterzeichnung eines Staatsvertrages befasst – ohne jedoch den Ministerpräsidenten durch seine Positionierung an ein bestimmtes Votum zu binden. Es steht einem Ministerpräsidenten weiterhin frei, in den Staatsvertragsverhandlungen einem Kompromiss zuzustimmen, auch wenn dieser nicht dem vorab geäußerten Willen der Landtagsfraktionen entspricht: eine vermeintliche demokratische Lücke, die auch in der aktuellen Debatte um Sachsen-Anhalt erneut beleuchtet wurde.

Nach Unterzeichnung müssen die Landtage den Staatsvertrag allerdings ratifizieren. Das zur Annahme nötige Quorum ist dabei im jeweiligen Staatsvertrag angelegt und wird während der Verhandlungen durch die Ministerpräsidenten beschlossen. Auch bei Verträgen, die generell alle 16 Länder umfassen sollen, wird nicht zwangsläufig Einstimmigkeit vorausgesetzt: Beim Medienstaatsvertrag sieht der unterzeichnete Entwurf sie zwar vor. Als Gegenbeispiel kann aber auch hier der Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags dienen. Dort ist – trotz Unterzeichnung durch alle 16 Länder – ein Quorum von 13 Ländern gewählt, plus die Zustimmung des Sitzlandes der neu zu gründenden Anstalt des öffentlichen Rechts. Bei Nicht-Ratifizierung durch einzelne Unterzeichner würde der Glücksspielstaatsvertrag daher trotzdem in den übrigen Ländern in Kraft treten.

Je nach Quorum kann somit das Inkrafttreten des Staatsvertrages insgesamt in Frage stehen, denn nach Unterzeichnung des Staatsvertrages wären Modifikationen wiederum nur durch einen Änderungsstaatsvertrag möglich. Eine Änderung des Vertragstextes selbst ist nicht durch Beschluss eines Landtages möglich. In manchen Staatsverträgen sind daher Öffnungsklauseln vorgesehen, die den Ländern Spielraum bei ihrer jeweiligen individuellen Ausgestaltung der Regulierung ermöglichen. Auch werden in einzelnen Bereichen oft nur allgemeine Zielsetzungen formuliert, die von den Ländern unterschiedlich mit Leben gefüllt werden können.

Für Organisationen, deren Geschäft maßgeblich durch einen Staatsvertrag beeinflusst wird, bringt das folgende Erfordernisse mit sich:

  • Der konkrete Verfahrensablauf muss analysiert werden: Staatsverträge zeichnen sich oft durch besonders langwierige Verfahren aus, umfassen sie doch 16 eigenständige und gleichberechtigte Parteien. Erschwert wird das Verständnis für Außenstehende zusätzlich durch vermeintlich undurchsichtige oder unübliche Verfahrensabläufe, in welchen beispielsweise kleinere Arbeitsgruppen die inhaltliche Vorarbeit leisten.
  • Die inhaltlichen Diskussionen zu den – mehr oder weniger detaillierten – „Leitplanken“ eines Staatsvertrags müssen während der Verhandlungen auf Ebene der Staatskanzleien eng begleitet werden. Für inhaltliche Änderungen am Vertragstext selbst ist es im parlamentarischen Prozess zu spät.
  • Der Stand der Ratifizierung in den Landtagen muss genau beobachtet werden. Je nach Ausgestaltung des Quorums kann hier substanzieller Zeitdruck entstehen – durch die Frist zur Ratifizierung selbst oder durch anstehende Landtagswahlen. Letztere können zudem zu neuen Mehrheiten führen, was sich wiederum auf die Ratifizierung eines Staatsvertrages auswirken kann.
  • Die Unterschrift und auch die Ratifizierung eines Staatsvertrages sind nicht „das Ende vom Lied“. Oft bietet die Umsetzung in zugehörige Landesgesetze viel Spielraum für die Landtage, oder im Staatsvertrag angelegte Gremien beschließen seine konkrete Implementierung. Damit bietet sich für Organisationen und Unternehmen zusätzlicher Raum, ihre Interessen einzubringen.

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