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„Warum dürfen die Autohersteller mit ihren zahlreichen Mitarbeitern die Produktion wieder hochfahren, während nur wenige Kunden mein Geschäft betreten dürfen? Warum gelten für meinen Wettbewerber in Bayern andere Hygieneanforderungen als für mein Geschäft in Berlin?“ – diese Fragen um tatsächliche und vermeintliche Ungleichbehandlungen bei der „Rückkehr zur neuen Normalität“ stellen sich aktuell viele Unternehmen. Oft enden sie mit der unbefriedigenden Schlussfolgerung, dass man Äpfel eben nicht mit Birnen vergleichen könne. Dabei gibt es zwei Erklärungen für die Ungleichbehandlung:

  • Die Sicht politischer Entscheidungsträger auf die Branche: Wichtigkeit und Risikoanfälligkeit der Branche werden politisch bewertet und sind zentraler Maßstab für die Entscheidungen zu einem möglichen Lockdown-Exit. Naturgemäß kennen die Entscheidungsträger dabei nicht alle Details des einzelnen Geschäftsmodells, geschweige denn spezifische Möglichkeiten zur Einhaltung der Hygieneregeln. Zudem entsteht auch die politische Wahrnehmung der Branche nicht erst mit Beginn der Krise. Im Gegenteil: Das Verständnis „der Politik“ für das spezifische Unternehmen oder den spezifischen Sektor wird lange im Voraus geprägt. Wie erfolgreich dieses Verständnis verankert wurde, hat direkte Auswirkungen auf die politische Reaktion im Krisenfall.
  • Eine stark föderale Entscheidungsfindung: Welche politische Ebene trifft welche Entscheidungen? Nur, wer die Antwort auf diese Frage kennt, kann sein Handeln entsprechend anpassen. Im Fall des Corona-Exits bedeutet das, dass zwar die Ministerpräsidentenkonferenz in Abstimmung mit dem Kanzleramt die Leitlinien vorgibt. Die Umsetzung findet jedoch in den einzelnen Bundesländern statt. Selbst die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte gewinnen stark an Einfluss: Jedes Gesundheitsamt trifft aktuell tiefgreifende Entscheidungen mit dem spezifischen Blick auf die lokale Situation.

Die Schlussfolgerung aus diesen Feststellungen ist, dass ein frühzeitiger Weg aus dem Lockdown nur demjenigen gelingen kann, der seine Themen und Geschäftstätigkeit bereits vor Krisenbeginn den relevanten politischen Entscheidern auf der jeweilig zuständigen Ebene in verständlicher Form „erklärt“ hat.

Unter diesem Gesichtspunkt waren verschiedene Branchen unterschiedlich gut auf die Corona-Krise und den mit ihr einhergehenden Lockdown vorbereitet. Musterbeispiel einer erfolgreichen Herangehensweise ist die Bundesliga. Dank des konstanten Dialoges mit den Entscheidern in Staatskanzleien sowie in Bundes- und Landesministerien bereits im Vorfeld der Krise konnte schnell ein Hygienekonzept erarbeitet werden, welches auf die politischen Anforderungen einging und prioritär von den relevanten Stellen geprüft wurde. Durch den etablierten Austausch wurde das Konzept hinreichend angepasst, sodass frühzeitig die Politik für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs gewonnen werden konnte.

Dass die Wichtigkeit des Austausches mit allen relevanten Ebenen nicht mit einer positiven Grundsatzentscheidung endet, wird ebenfalls am Beispiel Profifußball deutlich. So hat das Dresdner Gesundheitsamt nach Bekanntwerden von zwei Corona-Infektionen bei Dynamo Dresden die gesamte Mannschaft zwei Wochen in Quarantäne geschickt. In Bremen hat es von vornherein besonders lange gedauert, bis das Mannschaftstraining wieder zugelassen wurde. Die Bundesliga ist somit ein prominentes Beispiel für die Notwendigkeit, als überregional tätiges Unternehmen den Kontakt zu den Entscheidern vor Ort zu halten, um im Krisenfall schnell die spezifische eigene Situation zu verdeutlichen.

Auch andere Branchen, die sich in den letzten Jahren als zuverlässige Partner der Politik etabliert haben, konnten in Krisenzeiten von bestehenden Kontakten und aufgebautem Vertrauen profitieren. So konnten in vielen Bundesländern Autohäuser schon wieder öffnen, während die meisten anderen Verkaufsgeschäfte geschlossen blieben. Auch in der Lebensmittelproduktion – Stichwort Erntehelfer – haben die Rufe nach einer Lockerung des Shutdowns schnell zum Erfolg geführt. Die politischen Entscheidungen wurden auf Basis vertrauensvoller Gespräche und vorgelegter Hygienekonzepte getroffen, nicht auf Basis der öffentlichen Debatte um „den deutschen Spargel“.

Zusammengefasst: Auf politischer Seite besteht grundsätzlich die Bereitschaft, sich mit den Besonderheiten und Herausforderungen einzelner Branchen zu beschäftigen. Je gefestigter der Dialog mit allen zuständigen politischen Ebenen und je besser die Konzepte zur Anpassung des eigenen Geschäftsbetriebs zu den Anforderungen der Politik passen, desto eher findet man in der Krise trotz knapper Zeitressourcen bei den Entscheidern Gehör – und kann folglich die branchenspezifischen Anforderungen mitgestalten. In der Corona-Krise hat dies einen schnellen Ausweg aus dem Lockdown gesichert, auch für vermeintliche „Nischenbranchen“. Im „New Normal“ ist es entscheidend, sich als verlässlicher und erreichbarer Ansprechpartner für die politischen Entscheider zu positionieren. So kann der regulatorische Rahmen im Sinne des eigenen Geschäftsmodells mitgestaltet werden, anstelle nur vermeintlich „unpassende“ Auflagen umsetzen zu müssen. Denn wenn die nächste Krise da ist, ist es zu spät für den Aufbau belastbarer politischer Beziehungen.

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