Die Debatte um die Anerkennung von eSports als Sportart läuft bereits seit einigen Jahren. In anderen Ländern ist die Frage „Sind sie denn nun Sport?“ bereits positiv beantwortet, mit den entsprechenden Auswirkungen – so hat die Anerkennung in Frankreich zu einer deutlichen Professionalisierung der Teams geführt und die Zusammenarbeit mit Sponsoren auf eine rechtlich eindeutigere Basis gestellt. In Deutschland schien es ebenfalls so, als sei die Debatte entschieden: Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wurde 2018 in Aussicht gestellt, „E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht an[zu]erkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive [zu] unterstützen“.

Knapp ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl und zwei Monate vor der letzten (regulären) Sitzungswoche der Legislaturperiode ist klar: Dieses ursprüngliche gesetzte Ziel wird nicht erreicht. Woran liegt das? Und welche Erfahrungen lassen sich auf kommende politische Vorhaben – und den Weg zu ihrer Umsetzung – übertragen?

Zunächst lohnt der Blick auf den Platz der eSports im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien. Thematisiert wurde die Anerkennung von eSports in der Sektion „Digitales“ – als letzter Aspekt im Abschnitt „Besseres Leben durch Fortschritt“, direkt nach der angestrebten Ausweitung des Bundesfreiwilligendienstes um „eine neue Variante analog zum Freiwilligen Sozialen Jahr Digital“. Nicht angesprochen werden eSports hingegen im Abschnitt des Koalitionsvertrags, welcher sich mit Sport befasst. Die dort behandelten Themen (u.a. die Förderung des Leistungssportes oder die Bekämpfung von Doping) lassen sich zwar weitestgehend auf eSports übertragen. Explizit erwähnt wurden sie dabei jedoch nicht, geschweige denn ihre Besonderheiten.

Diese Besonderheiten sind teilweise eine Herausforderung für das politische Verfahren. Das fängt bereits damit an, dass es nicht „den E-Sport“ gibt, sondern sich die professionell gespielten Videospieltitel stark unterscheiden. Diese Unterschiede sind stärker als bei jedem traditionellen Sport: Hallenfußball teilt mit dem „regulären“ Fußball das Grundprinzip – League of Legends, Counter Strike: Global Offensive und FIFA 21 verbindet nichts, außer, dass sie (auch) am Computer gespielt werden.

Die (nachvollziehbare) Reaktion ist die Suche nach Anknüpfungspunkten mit dem Bestehenden. Im Falle von eSports hat das zur Unterscheidung zwischen „eSport“ und „eGaming“ geführt, welche u.a. vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vorgenommen wird und zwischen Sportsimulationen (FIFA, NBA 2K, etc.) und allen weiteren kompetitiv gespielten Titeln unterscheidet.

Diese Unterscheidung ist komplett branchenfremd, und doch ist sie aus der Logik des „Abgleichs mit dem Etablierten“ nachvollziehbar. Dass beispielsweise Spielmanipulationen im Rahmen von eSports-Events ein (leider) übertragbares Problem sind – wie die jüngst aufgenommenen Ermittlungen des FBI zu organisiertem Betrug über Sportwetten auf Counter Strike Partien zeigen – tritt dabei in den Hintergrund. Dabei demonstriert dieser Fall, dass ein verlässlicher Rahmen für eSports nötiger denn je ist.

Für Videospiel-Publisher, eSports-Teams und professionelle eSport-Ligen ergeben sich aus diesen Erfahrungen drei zentrale Schlussfolgerungen:

  • Die politische „Aufhängung“ des Themas muss geprägt werden. Idealerweise beschäftigen sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen diejenigen Akteure mit dem Thema, welche später auch die Umsetzung in Bundesregierung und Bundestag verantworten. Im Fall von eSports bedeutet dies die Einbeziehung der Sportpolitikerinnen und Sportpolitiker – welche traditionellerweise eher im Politikfeld „Inneres“ als bei „Digitales“ aktiv sind.
  • Regulierungsvorschläge müssen an die Logik der entscheidenden Akteure anknüpfen. Es gibt genug Themen, welche auch für „Gaming-ferne“ politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger anschlussfähig sind. Nicht zuletzt die Stärkung der Vereinsstrukturen sowie die Bekämpfung von krimineller Manipulation der Wettkämpfe sind Felder, in welchen gemeinsame Ziele verfolgt werden.
  • Nach dem Koalitionsvertrag ist vor der Umsetzung. Ein Koalitionsvertrag ist eine wichtige Basis für das Handeln der kommenden Regierung. Wer mit seinem Anliegen den „Sprung in den Vertrag“ schafft, bereitet den Boden für eine erfolgreiche Umsetzung. Gerade eSports zeigen jedoch: Der regulatorische Prozess ist damit alles andere als abgeschlossen, und auch die Debatte kann sich noch in bis dahin unvorhergesehene Richtungen entwickeln. Auch Unterstützerinnen und Unterstützer benötigen hier zufriedenstellende Antworten für neue kritische Nachfragen. Diese Antworten müssen von den Betroffenen der Regulierung geliefert und der Austausch aufrecht erhalten werden.