Die Bundestagswahl am 26. September 2021 bildet den Höhepunkt des Superwahljahrs 2021. Doch obwohl der neu gewählte Bundestag erst spätestens 30 Tage nach dem Wahltermin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt, endet die eigentliche Arbeit der derzeit amtierenden Abgeordneten bereits Ende Juni mit Beginn der parlamentarischen Sommerpause. Der Wahlkampf beginnt dann auch offiziell und die legislative Arbeit wird erst nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen fortgesetzt. Für die amtierende Bundesregierung wird die Zeit also knapp. Alle Gesetze, die bis zur Sommerpause nicht vom Bundestag verabschiedet wurden, gelten als gescheitert – Diskontinuität ist das Zauberwort.

Das Prinzip ist so einfach wie weitreichend: In der laufenden Legislaturperiode eingeleitete Gesetzgebungsverfahren müssen spätestens in der letzten Sitzung vom Bundestag verabschiedet werden da sie ansonsten verfallen. Sie können von einem neu gewählten Bundestag nicht einfach nahtlos wieder aufgenommen werden, sondern müssen neu in den parlamentarischen Prozess eingebracht werden. Aufgrund der Verschiebung bei Mehrheitsverhältnissen, neu zusammengesetzter Regierungskoalitionen und entsprechender Neuaufteilung der Bundesministerien muss das Verfahren de facto meist noch einmal ganz von vorne beginnen. Dies ist jedoch nur dann realistisch, wenn das Vorhaben auch für die neue Bundesregierung von Relevanz ist und gegebenenfalls schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

Diskontinuität als parlamentarische Selbstbeschränkung

Das Diskontinuitätsprinzip hat zwar keine verfassungsrechtliche Grundlage, ist aber seit langem gelebte Parlamentstradition im Bundestag und seinen Vorgängerparlamenten. Die in der Geschäftsordnung des Bundestags festgelegte Bestimmung, dass mit dem Ende einer Wahlperiode „alle Vorlagen als erledigt“ gelten, ist somit Verfassungsgewohnheitsrecht und bildet die Grundlage für die Diskontinuität.

War das Prinzip bis ins frühe 20. Jahrhundert vor allem ein Machtinstrument der Monarchie gegenüber der Legislative, so dient es seit der Weimarer Republik als selbst auferlegte Legitimationsbeschränkung des Parlaments und wird als logische Folge personeller Veränderungen durch turnusmäßige Wahlen gesehen. Jedes neu gewählte Parlament bildet schließlich den jeweils aktuellen Wählerwillen ab. Vorhaben aus der abgelaufenen Wahlperiode verlieren somit ihr demokratisch legitimiertes Mandat.

Für laufende Verfahren bleibt nur noch wenig Zeit

Für die Arbeit der Bundesregierung hat das Diskontinuitätsprinzip weitreichende Folgen. Alle Gesetzgebungsvorhaben, die vom Bundestag verabschiedet werden müssen, müssen bis zur Sommerpause abgeschlossen sein. Die Verabschiedung im Bundesrat kann auch noch danach erfolgen. Stimmt dieser jedoch nicht zu oder ruft den Vermittlungsausschuss an, ist das Gesetzesvorhaben gescheitert. De facto müssen die meisten Gesetze spätestens ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl eingeleitet werden, um noch eine Chance auf Erfolg zu haben. Bei besonders strittigen Themen kann es dann schon zu spät sein.

Neben der sachlichen Diskontinuität, also der Nicht-Fortsetzung von inhaltlichen Verfahren, gilt auch eine personelle und organisatorische Diskontinuität. Nicht nur verlieren Abgeordnete ihr Mandat, sondern auch die Ausschüsse müssen sich neu konstituieren. Der Vorsitz der Gremien wird neu verteilt und auch die Mitglieder selbst sind im Zweifel nicht mehr die gleichen wie vorher. Da sich die Ausschüsse am Ressortzuschnitt der Ministerien orientieren, verschiebt sich gegebenenfalls auch ihr inhaltlicher Fokus.

Folgen für die politische Interessenvertretung

Das Diskontinuitätsprinzip ist auch für die Interessenvertretung auf Bundesebene eine strategische Herausforderung. Für die Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren sind Interessenvertreter den gleichen Fristen unterworfen wie die Abgeordneten selbst. Die Herausforderung besteht darin, zum einen bereits laufende Verfahren weiter zu begleiten sowie rechtzeitig das Gespräch mit den richtigen Stellen zu suchen. Gleichzeitig wird der Wahlkampf begleitet und eine Strategie für die kommende Legislaturperiode entwickelt.

Dabei ist es entscheidend, sich bereits frühzeitig und umfassend ein Bild davon zu machen, welche Mehrheitsverhältnisse nach der anstehenden Wahl entstehen und welche Handlungsanweisungen und Opportunitäten sich daraus ergeben können. Eine rechtzeitige und engmaschige Begleitung von Listenaufstellungen und Verfahren zum Entwurf von Wahlprogrammen hilft bei der Auswahl zukünftig wichtiger Ansprechpartner und der Identifizierung inhaltlicher Anknüpfungspunkte.

Gespräche auf der ministerialen Arbeitsebene können derweil meist nahtlos fortgeführt werden. Ist die Kontaktperson im Ministerium jedoch politischer Beamter, so kann sie bei einem Regierungswechsel oder der Übernahme ihres Ministeriums durch eine andere Partei in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden und somit zumindest für das betreffende Thema an Relevanz verlieren.

Spannende Wochen für politische Akteure

In der Bundespolitik brechen also wegweisende Wochen an, die alle beteiligten Akteure vor die Herausforderung stellen, gleichzeitig bereits laufende Verfahren zum Abschluss zu führen und sich mit Blick auf die kommende Legislaturperiode neu zu orientieren.

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