Regelmäßig möchten wir auf unserem Blog neben unserem eigenen Blick auf die Themen auch andere Perspektiven beleuchten und Externe zu Wort kommen lassen. Heute veröffentlichen wir einen Gastbeitrag von Patrick Kurth, Leiter Politik bei FlixBus und FlixTrain:

„Gedankenspiel 1: Tesla-Chef Elon Musk kommt aus Deutschland und sein Unternehmen nicht aus Kalifornien, sondern aus Karlsruhe. Wie würde seine Ankündigung, aus 300 Hektar Land, Wald und Brandenburger Natur eine Gigafactory machen zu wollen, wohl bei Behörden, Politik und Gesellschaft ankommen? Statt offener Arme und politischen Jubels hätte es eher die Frage nach dem Bauantrag gegeben.

Gedankenspiel 2: FlixMobility wurde in Kalifornien gegründet und will mit der modernsten Fernbusflotte der Welt nach Deutschland kommen. Im Gegensatz zu den Milliardensubventionen für die DB soll ein FlixTrain ohne Zuschüsse günstig, smart und ökologisch unterwegs sein. FlixMobility will dabei innerhalb weniger Jahre mehr Menschen als der innerdeutsche Flugverkehr zu mehr Haltestellen als die DB Fernverkehr befördern. Frage: Wie viele rote Teppiche würden ausgerollt, wie viele Fördertöpfe aufgemacht und wie groß wären die Wehklagen, dass solch ein innovativer „Champion“ im Verkehrsmarkt nicht aus Deutschland kommt?

Nun kommt Tesla bekanntermaßen nicht aus Deutschland, wohl aber FlixMobility. Die Verteilung der roten Teppiche sieht entsprechend karg aus und zeigt, woran es bei der deutsche Digital-, Wirtschafts- und Klimapolitik hapert. Ob jemand hofiert oder geschnitten wird, hängt auch von der Herkunft ab. Dem kalifornischen Unternehmen wird die Ansiedlung in Deutschland milliardenschwer schmackhaft gemacht, derweil FlixBus auf dem heimischen Verkehrsmarkt nicht einmal an einer Haltestelle im Kölner Stadtgebiet halten darf.

Das Mobilitätsbedürfnis der Menschen wächst, erst recht nach der Covid-Krise. Nachhaltige Lösungen sind in Anbetracht des Klimawandels umso wichtiger. Tesla hat mit Risikobereitschaft, Investitionen und innovativem Denken den Anspruch, den Mobilitätsmarkt weltweit zu verändern. Den Anspruch hat FlixMobility ebenfalls: Mit nachhaltiger, erschwinglicher und weitverzweigter Mobilität für inzwischen weit über 100 Millionen Menschen in 34 Ländern Europas und den USA sind FlixBusse gemessen am CO2-Ausstoß die klimafreundlichsten Verkehrsmittel. Der weltweit führende Anbieter in diesem Bereich kommt nicht aus dem Silicon Valley. Er kommt aus Deutschland.

Natürlich sind rote Teppiche für Tesla gut! Endlich kommt Schwung in die Landschaft der alternativen Antriebe. Und wenn sich ein derart innovatives und zukunftsorientiertes Unternehmen für einen deutschen Standort entscheidet, treten die Unterschiede der Verkehrs-, Wirtschafts- und Innovationspolitik zu Tage. Denn in diesen Punkten verharrt die Bundesregierung auf 80er-Jahre-Niveau: Fixiert auf Staatsunternehmen und Staatsorganisation – namentlich DB oder ÖPNV. Das reicht lange nicht, um Passagieren, Regionen und Zukunft gerecht zu werden. FlixBus ist ein Innovationstreiber aus Deutschland, feiert seine Erfolge mittlerweile auf mehreren Kontinenten – ein Exportschlager, der den deutschen Steuerzahler keine Subventionen kostet und ohne staatliche Investitionen auskommt. Mit Projekten für Wasserstoff-, Biomethangas- und E-Busse nimmt FlixBus eine Pionierrolle bei alternativen Antrieben im Fernbusbetrieb ein. FlixBus und Tesla sind junge Unternehmen mit dynamischen und zukunftsfähigen Produkten, die den Mobilitätsmarkt umkrempeln und längst über ihren Heimatmarkt hinaus zu einer globalen Marke geworden sind – und werden von der Politik doch so ungleich behandelt.

Es ist absurd, wie die Politik ausgerechnet mit einem so betitelten „Klimapaket“ den Klimachampion Fernbus im Fernverkehrsmarkt benachteiligt. Während weiter eifrig immer mehr Geld in die DB geschaufelt wird und die Schiene nun auch noch in den Genuss einer Mehrwertsteuersenkung kommt, bleibt der Fernbusverkehr hier im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke.

In der Theorie wollen wir globale Champions aus Deutschland hervorbringen – in der Praxis aber ist die Politik hierzulande für Gründerinnen und Gründer von Start-Ups frustrierend. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn findige Ideenschmieden das Land verlassen – oder zumindest das Vertrauen in die Politik von Bund und Ländern verlieren. Als 2019 der Bundestag das Klimapaket mit einseitiger Mehrwertsteuersenkung für die Bahn und gegen Fernbusse beschloss, platzierte der Zufall die zeitgleiche Nachricht von Teslas Plänen zum Bau einer Gigafactory in Brandenburg. Das war gut, denn es zeigte das deutsche Dilemma: Der politische Umgang mit Innovation hängt von der Herkunft ab.“

Nicht vergessen zu abonnieren: Expect the Unexpected – Der Newsletter der Bernstein Group

Dieser Artikel hat Ihnen gefallen?
Dann geben Sie uns gerne ein Feedback und liken oder teilen ihn via Twitter und LinkedIn.