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Das Ende ist nie schön. Die Insolvenz ist für jedes Unternehmen der größte anzunehmende Unfall, egal ob sie wegen mangelnder Liquidität oder Überschuldung erfolgt. Das deutsche Insolvenzrecht hält seit 2012 ein Instrument für Unternehmen bereit, das die Sanierung des Unternehmens in den Blick nimmt, nicht die Abwicklung: die Insolvenz in Eigenverwaltung mit der besonderen Spielart des Schutzschirmverfahrens. Mitentscheidend für jedes Eigenverwaltungsverfahren: eine engmaschige kommunikative Begleitung des gesamten Prozesses, die alle Stakeholder berücksichtigt, von den Mitarbeitern über die Gremien bis zu Politik, Investoren, Gläubigern, Kunden, Presse und Social Media.

Management bleibt an Bord

Wirtschaftsexperten sind sich einig: Auf Deutschland rollt wegen Corona eine Insolvenzwelle zu. Viele Gründer, CEOs und Manager stellen sich angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Lage die Frage, ob eine Insolvenz in Eigenverwaltung ihr Unternehmen vor dem Untergang retten kann. Der wichtigste Unterschied zur Regelinsolvenz: Das Management bleibt in der Insolvenz in Eigenverwaltung an Bord. Ziel ist ja der Erhalt des Unternehmens, von Teilen des Unternehmens oder wenigstens der erfolgreiche Verkauf. Neben den CEO tritt ein erfahrener Insolvenzexperte als Generalbevollmächtigter, der das Management mit seinem rechtlichen Know-how unterstützt. Ein vom zuständigen Amtsgericht bestellter Sachwalter wahrt die Interessen der Gläubiger, er trifft jedoch nicht die unternehmerischen Entscheidungen.

Zentrales Instrument der Insolvenz in Eigenverwaltung ist der Insolvenzplan. Er legt fest, mit welchen Produkten und Dienstleistungen das Unternehmen künftig am Markt erfolgreich sein will. Der Plan legt auch fest, wie viel Prozent der Gläubigerforderungen bedient werden. Die Gläubiger müssen dem Plan zustimmen.

Viele Stakeholder, unterschiedliche Interessen

Neben den nüchternen juristischen Tatsachen spielt der psychologische Effekt des Verfahrens eine zentrale Rolle: Insolvenzen sind die dramatischsten Momente im Leben eines Unternehmers und von hoher Intensität geprägt. Doch Krisenzeiten sind CEO-Zeiten. Für das Eigenverwaltungsverfahren gilt dies noch mehr als für die Regelinsolvenz. Die Akteure müssen unter hohem Druck den Insolvenzplan erarbeiten, die Belegschaft an Bord halten, Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite führen, den Kunden eine klare Perspektive zum Fortbestand des Unternehmens aufzeigen und die Gläubiger überzeugen, dass sie auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichten müssen, wenn das Unternehmen gerettet werden soll. Das alles muss der Unternehmer unter einem teilweise kaum zu ertragenden öffentlichen Druck von Medien, Arbeitnehmervertretern und einer gegebenenfalls feindseligen Konkurrenz umsetzen. Während börsennotierte Unternehmen an strenge Berichtspflichten und Twitterstürme gewohnt sind, trifft es Mittelständler oft unvorbereitet, wenn sie ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden und wie unter einem Brennglas jedes noch so banal erscheinende Detail öffentlich verhandelt wird.

Ohne gute Kommunikation scheitert jede Sanierung

Neben Sanierungsexperten, Juristen, Finanzern, Wirtschaftsprüfern und Personalern gehören daher Kommunikationsprofis zwingend zum Kernteam: Die größte interne Herausforderung fürs Management ist die Aufrechterhaltung des ordentlichen Geschäftsbetriebs. Der unmittelbar nach Insolvenzanmeldung einsetzende Braindrain muss eingedämmt werden. Führungskräfte und Belegschaft müssen in kurzer Taktung über die aktuellen Entwicklungen im Verfahren informiert werden. Das Unternehmen muss persönliche und digital verlängerte Kommunikations- und Austauschformate nutzen, in denen sich Führungskräfte und Mitarbeiter über die Lage informieren und austauschen können.

Digitales Frühwarnsystem

In einem Eigenverwaltungsverfahren prallen unterschiedliche Interessen hart aufeinander. Daher sind in der externen Kommunikation der kurze Draht zu den wesentlichen Stakeholdern sowie ein sensibles, datengestütztes Frühwarnsystem von entscheidender Bedeutung: Die Kommunikatoren müssen das Verfahren laufend für Journalisten, Politiker, Gewerkschafter und diverse weitere Stakeholder einordnen. Sie müssen für verbindliche, konsistente und empathische Kommunikation des Unternehmens sorgen. Mit Hilfe eines digitalen Frühwarnsystems können sich anbahnende Shitstorms und gezielt gestreute Falschinformationen frühzeitig detektiert und die kommunikativen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Gute Kommunikation ist für die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit in der sensiblen Restrukturierungsphase von Unternehmen erfolgskritisch. Sie muss datenbasiert sein und von versierten Experten mit Erfahrung und großem Netzwerk verantwortet werden. Kurz und gut: Ohne professionelle Kommunikation scheitert jede Sanierung.

Dass eine Insolvenz in Deutschland vielfach noch immer mit einem persönlichen Scheitern der Akteure gleichgesetzt wird und mit gesellschaftlicher Ächtung einhergeht, passt nicht mehr in unsere Zeit. Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist ein gangbarer Weg, in Schieflage geratene Unternehmen ganz oder wenigstens in Teilen zu erhalten.

Drei Merkpunkte für die Insolvenz in Eigenverantwortung aus Kommunikationssicht:

  • Kommunikation ist Chefsache: Neben der professionellen juristischen Steuerung des Verfahrens muss das Unternehmen für professionelle Kommunikation sorgen. Sonst scheitert die Sanierung.
  • Brain Drain vermeiden: Für die Mitarbeiter und ihre Familien bedeutet ein Insolvenzverfahren puren Stress. Sie haben ein besonders hohes Informations- und Austauschbedürfnis. Wer das nicht berücksichtigt, verliert das Know-how, das das Unternehmen groß gemacht hat.
  • Öffentliche Wirkung von Anfang an in die Entscheidungen einbeziehen: Die Systeme Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sind in unserer Mediengesellschaft eng verzahnt. Nicht alles was für ein Unternehmen legal möglich ist, ist politisch klug und gesellschaftlich durchsetzbar. Bei jeder Entscheidung muss daher auch ihre die öffentliche Wirkung abgewogen werden.

Hintergrund zur Insolvenz in Eigenverwaltung

Das Verfahren Insolvenz in Eigenverwaltung gibt es in Deutschland seit 2012. Zunächst fristete sie in Deutschland ein Schattendasein. Das änderte sich am 15. August 2017 schlagartig, als die damals zweitgrößte deutsche Fluglinie, die airberlin, beim Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag stellte. Das Gericht ordnete am gleichen Tag die vorläufige Eigenverwaltung an.

Heute ist die Insolvenz in Eigenverwaltung respektive das Schutzschirmverfahren angesichts der Corona-Pandemie wieder in aller Munde. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo ermittelte im Juli, dass sich ein Fünftel der deutschen Unternehmen für insolvenzgefährdet hält. Anfang August legte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform eine Studie vor, wonach sich die Zahlungsmoral deutscher Unternehmen angesichts der Corona-Krise verschlechtert habe – ein sicheres Indiz für sich auftürmende Zahlungsschwierigkeiten.

Die Corona-Pandemie trifft die deutsche Wirtschaft mit unterschiedlicher Intensität: Tourismus und Mobilitätssektor hat das Virus aus der Bahn geworfen, während digital begründete Geschäftsmodelle bislang deutlich besser durch die Krise kommen. Das ganze Ausmaß des Veränderungsdrucks, den die weltweite Pandemie auf deutsche Unternehmen ausübt, zeigt sich aber erst ansatzweise. Der Grund ist banal: Die Pflicht zur unmittelbaren Insolvenzanmeldung ist bis vorerst 30. September aufgehoben, wenn Unternehmen nachweisen können, dass sie Corona-bedingt in Schieflage geraten sind. Das Bundesjustizministerium plant eine Verlängerung dieser Regelung bis März 2021.

Anmerkung: Der Autor war während des Insolvenzverfahrens der airberlin Marketing- und Kommunikationschef des Unternehmens. Er verantwortete die gesamte interne und externe Kommunikation.

 

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