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Der 01. Januar 2023 brachte für den Jugendschutz in Videospielen wichtige Änderungen mit sich: Seit diesem Datum werden zur Altersfreigabe eingereichte Spiele von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) nach neuen Leitkriterien bewertet. Diese erweiterten Prüfkriterien basieren auf der Novelle des Jugendschutzgesetzes vom Mai 2021 und ermöglichen nun explizit die Berücksichtigung verhältnismäßig „neuer“ Risiken bei der Altersfreigabe für Videospiele.

In jedem Fall wird mehr Transparenz geschaffen: Neben dem bekannten Altersfreigabe-Logo können nun Gründe für die entsprechende Einstufung (z.B. „Horror“, „Glücksspielthematik“) und zusätzliche Hinweise (z.B. „Chats“ oder „In-Game-Käufe + zufällige Objekte“) ergänzt werden. Scheinbare Kuriositäten, wie die Freigabe der jüngsten Versionen der Basketballspielreihe „NBA 2K“ erst ab 12 Jahren, werden so nachvollziehbarer. Hier wäre künftig neben der Alterskennzeichnung als Grund die „Glücksspielthematik“ vermerkt.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob diese Änderungen den Regulierungsdruck eindämmen. Klar ist jedoch schon, dass die neuen Regelungen einen Teil der Kritik nicht beantworten.

Ein prominentes Beispiel ist die Fußballsimulation „FIFA“, welche aktuell von der USK ab 0 Jahren freigegeben ist. Um im Spielmodus „Ultimate Team“ mit dem dort zusammengestellten eigenen Traumteam erfolgreich zu sein, sind gute und prominente Spieler notwendig. Diese sind in größtenteils zufällig zusammengestellten „Packs“ enthalten. Wer beispielsweise einen Lionel Messi in seinem Team haben möchte, um im Duell mit anderen Spielern wettbewerbsfähig zu sein, muss statistisch gesehen eine Vielzahl von „Packs“ öffnen – oder eben sehr viel Glück haben.

Bezahlen lassen sich diese „Packs“ auch mit FIFA Points. Diese lassen sich wiederum für echtes Geld erwerben. Durch intensives Spielen können zwar auch ohne Echtgeldeinsatz „Packs“ regelrecht erarbeitet werden. Ab einem gewissen Anspruch ist eine Investition von Echtgeld aber beinahe notwendig.

Das Öffnen der „Packs“ wird zwar pompös inszeniert. An Glücksspiel erinnert die Darstellung jedoch nicht – im Unterschied insbesondere zu NBA 2K, wo Glücksräder und Spielautomaten Teil des Spieldesigns sind. Würde die aktuelle Version der FIFA-Reihe heute bei der USK eingereicht, würde das Fazit aller Wahrscheinlichkeit nach ähnlich wie bei FIFA 23 ausfallen: Altersfreigabe ab 0 Jahren, nun lediglich um den Hinweis ergänzt, dass der Titel „In-Game-Käufe + zufällige Objekte“ enthält. Ähnliches würde für weitere prominente Titel gelten: Auch Fortnite enthält „zufällige Objekte“ gegen reales Geld und ist ab 12 Jahren freigegeben.

Die Glücksspielregulierung gewinnt an Schlagkraft

Parallel zur erstmaligen Anwendung der neuen USK-Prüfkriterien hat der 01. Januar 2023 einen zweiten Meilenstein markiert: Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hat ihre finalen Zuständigkeiten für die bundesweite Regulierung von Online-Glücksspielen übernommen. Teil des Auftrags der von allen 16 Bundesländern getragenen Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) ist auch die Beobachtung und Bewertung neuer Glücksspielformen.

Klar ist: In der aktuellen Definition des Begriffs „Glücksspiel“ fallen subjektiv wertvolle In-Game-Inhalte kaum in die unmittelbare Vollzugskompetenz der GGL. Mag der digitale Lionel Messi auch entscheidende Vorteile bei FIFA bringen: Für echtes Geld weiterverkauft werden darf er nicht. Ein Glücksspiel würde aber per Definition diesen zu gewinnenden „nicht ganz unbedeutenden Vermögenswert“ erfordern. Letztlich ist die Definition von „Glücksspiel“ und „glücksspielähnlichen Elementen“ jedoch Verhandlungsmasse und keinesfalls in Stein gemeißelt.

Für diese Debatte schafft die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder nun die ideale Basis: Eine Behörde mit bald über 100 Mitarbeitenden hat den „langen Atem“ und die Ressourcen für grundlegende Debatten. Durch die Steuerungsrolle der 16 Innen-Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der Bundesländer ist die Behörde bereits strukturell politisch. Um diesen Kern kann das gesamte „Ökosystem“ der Regulierung weiter wachsen. Forschung und Verbände finden neue, handlungsstarke Abnehmerinnen und Abnehmer für ihre bereits entwickelten und international koordinierten Argumente. Auch die Suchtforschung nimmt sich des Themas zunehmend an.

Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass die erweiterten Prüfkriterien der USK die Debatte über den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Glücksspielelementen in Videospielen beenden. Glücksspielregulierung folgt einer anderen Logik. Eine verpflichtende Verknüpfung eines Hinweises „In-Game-Käufe + zufällige Objekte“ mit automatischen Mechanismen zum Ausschluss Minderjähriger würde dort als niedrigschwelliger, selbstverständlicher Eingriff gesehen.

In der Glücksspielregulierung wird Jugendschutz längst als Verantwortung des Anbieters wahrgenommen. Mehr Informationen und Transparenz für die Erziehungsberechtigten allein, wie nun mit den erweiterten USK-Prüfkriterien umgesetzt, werden zur dauerhaften Befriedung der Debatte daher nicht ausreichen.