Gut vier Monate nach der Wahl haben sich die Ausschüsse des Bundestags vollkommen eingerichtet. Die Mitglieder der Ausschüsse sind bestimmt, die Vorsitzenden mit wenigen Ausnahmen gewählt und die Berichterstattungen den jeweils zuständigen Personen zugewiesen. Die personelle Transformation ist dabei deutlich umfassender als die bloße Integration der neu gewählten Abgeordneten (36,4 Prozent) in die bestehenden Fraktions- und Ausschussstrukturen.
Über alle regelmäßigen Ausschüsse des Bundestags hinweg sind durchschnittlich zwei von drei Abgeordneten neu im jeweiligen Ausschuss. Dies lässt sich auf drei wesentliche Faktoren zurückführen.
- Faktor 1: Personelle Neuaufstellung des Bundestags: Die Erfahrung zeigt, dass bei jeder Bundestagswahl rund ein Drittel der Abgeordneten aufgrund von Wahlergebnissen ausgetauscht wird. Bei der Bundestagswahl 2021 lag dieser Wert mit 36,4 Prozent leicht über dem historischen Durchschnitt. Hierfür haben sich vor allem die im vergleich zur vorherigen Wahl 2017 stark verbesserten Ergebnisse von SPD und Grünen verantwortlich gezeigt. Neue Mitglieder bedeuten automatisch auch neue Gesichter in sämtlichen Ausschüssen.
- Faktor 2: Neu gewählte Abgeordnete ersetzen ihre Vorgängerinnen und Vorgänger selbstverständlich nicht „eins zu eins“, sondern bringen eigene Fachkenntnisse und Themenschwerpunkte mit in die Parlamentsarbeit. Jedoch können nicht immer alle Ausschusswünsche von Abgeordneten berücksichtigt werden, sodass vereinzelt Kompromisse eingegangen werden müssen. Ergeben sich im Zuge der nächsten Wahlen dann Wechselmöglichkeiten, findet auch hier ein „Stühlerücken“ unter den wiedergewählten Mitgliedern des Bundestags statt.
- Faktor 3: Auch die Ressortzuschnitte der Bundesregierung bedingen die Ausschusszusammensetzungen. Die beiden prägnantesten Beispiele liefern hierfür aktuell der ehemalige Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie der Ausschuss für Digitales. Ersterer wurde im Zuge der Neuaufteilung der Ressorts in der Bundesregierung in zwei einzelne Ausschüsse aufgeteilt (Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für Klimaschutz und Energie). Dadurch mussten sämtliche Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker im Energiebereich in den neuen Ausschuss wechseln. Andere Ausschüsse wie etwa der neue Ausschuss für Digitales haben dagegen eine deutliche personelle Aufwertung erfahren. In der Konsequenz sind hier viele neue Ausschussmitglieder hinzugekommen – zulasten des Ausschusses für Verkehr, der seine Digitalpolitikerinne und -politiker abgeben musste.
Landschaft der Ausschusszusammensetzungen wandelt sich zum Teil drastisch
Nicht zuletzt durch diese Faktoren ändert sich die personelle Zusammensetzung stärker, als der Anschein vermuten lässt. Neben dem bereits thematisierten Ausschuss für Digitales und den beiden Nachfolgeausschüssen des ehemaligen Ausschusses für Wirtschaft und Energie ist diese Dynamik in der aktuellen Legislaturperiode vor allem im Verkehrsausschuss eklatant. Trotz einer Verkleinerung von 42 auf 34 Mitglieder sind 33 von 34 Mitgliedern neu im Ausschuss. Auch das „Andocken“ des Themas Verbraucherschutz an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hat zu einer signifikanten personellen Umwälzung an Personal geführt. Neben den neuen Mitgliedern des Bundestags sorgen auch neue Zuständigkeiten für Berichterstattungen unter den bestehenden Mitgliedern für einen „Soft Reset“ in der inhaltlich-parlamentarischen Arbeit.
Politische Interessenvertreterinnen und -vertreter sollten daher zügig ihre bestehenden Kontakte auf ihre fachliche Zuständigkeit hin überprüfen und neue Kontakte in regulatorischen Blind Spots etablieren - insbesondere im arbeitsintensiven ersten Halbjahr 2022 bieten sich hierzu passende Gelegenheiten. Mit einer strukturierten Stakeholder-Analyse des politischen Umfelds und einer fundierten Strategie können so aus der personellen Neuaufstellung der Ausschüsse Chancen für die politische Arbeit ermittelt und verwirklicht werden.
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