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Für das Politikfeld gesundheitlicher Verbraucherschutz hat sich die neue Ampel-Koalition einige ambitionierte Ziele gesetzt, die in den kommenden vier Jahren umgesetzt werden sollen. Dafür haben die Koalitionäre den Ressortzuschnitt so angepasst, dass die Umsetzung vor allem in „grüner“ Hand liegt und das Thema Verbraucherschutz weniger aus einer rechtlichen oder wirtschaftlichen, sondern verstärkt aus einer umwelt- und gesundheitspolitischen Sicht bearbeitet werden wird. Entsprechend werden die meisten verbraucherschutzpolitischen Kompetenzen im neuen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zusammengezogen.


 

Von Kennzeichnung bis Werbeeinschränkungen – was im Vertrag enthalten ist

Im Koalitionsvertrag lassen sich zwei grundsätzliche Kategorien an politischen Vorhaben identifizieren. Zum einen soll durch verschiedene Maßnahmen deutlich mehr Transparenz in die Märkte gebracht werden. Zum anderen werden Zusammensetzung und Bewerbung von Produkten in den Fokus gerückt.

Transparenz

In diese Kategorie fallen Vorhaben wie der Einführung einer Tierschutzkennzeichnung, die Transport und Schlachtung der Tiere umfasst. Weiterhin soll eine Herkunftskennzeichnung für tierische Lebensmittel umgesetzt werden. Bei Lebensmitteln allgemein wird durch eine Weiterentwicklung des bestehenden Nutri-Scores noch mehr Transparenz angestrebt. Hier sollen in Zukunft weitere Kriterien wie der ökologische Fußabdruck verstärkt Gewicht haben. Als Vorbild könnte hier der französische Èco-Score dienen.

Regulierung und Bewerbung von Produkten

Zum einen strebt die Ampel-Regierung in diesem Vorhabenbereich die Einführung einer Reformulierungsstrategie zur Reduktion des Zucker-, Fett- und Salzgehalts bei Lebensmitteln an. In die gleiche Kerbe schlägt auch die Absicht, an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohen Anteilen von Zucker, Fett oder Salz zu untersagen. Beim Alkohol will die Ampel ebenso deutlich restriktiver werden. Dies öffnet einer Debatte um die Erhöhung der Alkoholsteuer Tür und Tor, auch wenn diese Maßnahme nicht explizit im Koalitionsvertag adressiert wird. Zudem soll die Werbung für alkoholhaltige Produkte und das Sponsoring von Branchenmitgliedern erstmalig flächendeckend eingeschränkt werden. Es zeigt sich, dass die politischen Entscheider hier den regulatorischen Weg beschreiten wollen, der beim Nikotin vor zwanzig Jahren eingeschlagen worden ist. Dieser Umstand zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Maßnahmen zur Werberegulierung von Alkohol in einem Satz mit weiteren Beschränkungen für Nikotinprodukte zu finden sind.

Wird ein grünes Durchregieren möglich?

Nachdem die Ampel-Koalitionäre in den ersten Wochen der Verhandlungen dem Vernehmen nach darüber nachgedacht hatten, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft komplett aufzulösen, geht es nun doch als eigenständiges Ressort in die neue Legislaturperiode. An der Spitze steht mit Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) erstmals seit 2005 kein Unionspolitiker. Zwar galt er bisher nicht als Experte in diesem Politikfeld, doch kann er auf viel Expertise in den Reihen der politischen Führungsebene des Hauses zurückgreifen. Mit Dr. Ophelia Nick (Bündnis 90/Die Grünen) wechselt die bisherige Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft & Ländliche Entwicklung der Grünen ins Bundesministerium, die allerdings auch erst 2021 erstmalig in den Bundestag eingezogen ist. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) gilt aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen als versierte Rechts- und Verbraucherschutzpolitikerin. Mit Silvia Bender stößt eine weitere Expertin als verbeamtete Staatssekretärin dazu. Die bisherige Staatssekretärin im Brandenburger Landwirtschaftsministerium war bereits im Landwirtschaftsministerium in Rheinland-Pfalz, für den BUND als Abteilungsleiterin für Biodiversität und zwischen 2006 und 2013 als fachpolitische Referentin der grünen Bundestagsfraktion tätig.

Der neue Ressortzuschnitt lässt zudem bereits erahnen, dass in den kommenden vier Jahren Verbraucherschutzpolitik wieder deutlich stärker aus gesundheitspolitischer und umweltpolitischer Perspektive gedacht und umgesetzt werden wird. Durch die Integration des Ressorts Verbraucherschutz in das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird jedoch der rechtliche Verbraucherschutz wieder einen gewissen Grad des Stellenwerts einbüßen, den er in den vergangenen Jahren durch die Zugehörigkeit zum Bundesministerium der Justiz erreicht hatte. Dieser Paradigmenwechsel, der sich generell in diesem Politikfeld abzeichnet, wird dadurch verstärkt, dass die Ausschüsse im Bundestag entlang der neuen Ressortaufteilung neu aufgeteilt werden. So ist der Umweltausschuss nun auch für Verbraucherschutz zuständig.

Die politischen Diskussionen und Streitereien zwischen den beiden Häusern werden sich vermutlich in den kommenden Jahren deutlich reduzieren, da beide Ministerien von grünen Politikern geführt werden. Da auch das Wirtschaftsministerium eine grüne Hausspitze besitzt, ist im Bereich des Verbraucherschutzes ein Durchregieren möglich. Zwar ist das Gesundheitsministerium nun SPD-geführt, doch wird es bis weit in die Legislaturperiode hinein mit der Bekämpfung der COVID-19 Pandemie beschäftigt sein und somit andere politische Prioritäten verfolgen.

Ein kurzer Blick auf die Legislative  

Durch diese starke Stellung der Regierung wird ein Großteil der politischen Diskussion in die Ausschussarbeit verlagert, zumal mit Renate Künast nur eine einzige Bundestagsabgeordnete der Grünen schon in der vergangenen Legislaturperiode im Ernährungs- und Landwirtschaftsausschuss saß. Zwar muss sich die SPD in diesem Bereich auch neu sortieren, doch bleiben mit Isabel Mackensen-Geis und Susanne Mittag zumindest zwei Abgeordnete im Ausschuss, die schon länger dabei sind. Die meiste regierungsinterne Expertise in diesem Bereich liegt tatsächlich bei der FDP, die mit Gero Hocker und Karlheinz Busen zumindest die Hälfte der bisherigen Ausschussbesetzung behalten konnten. Ihr Einfluss ist damit im parlamentarischen Verfahren sicherlich höher als innerhalb der Regierung.

Im Gegensatz zu den Koalitionsfraktionen kann die CDU/CSU weiterhin auf sechs Mitglieder aus der vergangenen Legislaturperiode zurückgreifen und so inhaltlich auf Augenhöhe mit der Koalition diskutieren, was für eine kritische Begleitung der Gesetzgebungsprozesse notwendig ist.

Looking ahead – Viele Vorhaben erfordern externen Input

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für den gesundheitlichen Verbraucherschutz eine Vielzahl von Verfahren initiiert und ausgehandelt werden müssen. Hier bedarf es auch externem, fachlichen Sachverstand aus den betroffenen Industrien. Es wird daher ausreichend Raum geben, politische Interessensvertretung zu betreiben und gute, begründete Argumente in den politischen Prozess einzubringen – insbesondere bei der Entwicklung von Reduktionszielen und Strategien.

Daher sollten politische Interessensvertreter sollten früh im kommenden Jahr neue Kontakte etablieren und die bisherigen Netzwerke pflegen. Insbesondere in der nun anstehenden Einarbeitungsphase können so wertvolle Kontakte etabliert werden und eigene Positionen beziehungsweise Argumente eingebracht werden. Dafür sollte eine Strategie entwickelt werden, die die kommenden vier Jahre umfasst und verschiedene Szenarien in Betracht nimmt.

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