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Gemeinsam mit dem Hamburger Tech-Unternehmen Wunder Mobility veröffentlichen wir einen monatlichen Mobility-Policy-Newsletter. Im Fokus stehen alle Fragen rund ums Thema Mobility, Regulierung und Technologie. Auf unserem Blog veröffentlichen wir nun den neunten Artikel aus dem Newsletter:

Wer hat welche Kompetenz in Europa? Nicht immer ist eindeutig, wann die Kompetenz bei der Europäische Union (EU) und wann bei den Mitgliedstaaten liegt. Die Verkehrspolitik ist seit Jahrzehnten Aufgabe der EU und doch hat diese nicht die alleinige Gestaltungsmacht darüber. Während die EU grundsätzlich ein transeuropäisches Verkehrsnetzwerk und eine nachhaltige Mobilität europaweit sicherstellen soll, geht dies nicht ohne die Mitarbeit der Mitgliedstaaten. Denn sobald von Seiten der EU ein Gesetz im Mobilitätssektor verabschiedet wird, liegt die Notwendigkeit bei den Mitgliedstaaten, dieses in das eigene Recht umzusetzen. Die nationale und die europäische Ebene bedingen sich somit gegenseitig und können Verbesserungen und Anpassungen voneinander fordern. Denn auch wenn der Prozess meist kompliziert und umständlich scheint, führt er letztlich zu einem Ergebnis, das nur durch den Input von beiden Ebenen und deren Zusammenspiel entstanden ist. Es ist deswegen notwendig, immer sowohl die europäische als auch die nationale Eben zu berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür ist der Umgang mit Innovationen unbemannter Luftfahrt. Denn der Aktionsplan der Bundesregierung „Unbemannte Luftfahrtsysteme und innovative Luftfahrtkonzepte“, der Anfang Mai vorgelegt wurde, folgt auf zwei EU-Verordnungen aus 2019.

Möglichkeiten unbemannter Luftfahrt: Drohnen für kontaktlose Lieferungen?

Die unbemannte Luftfahrt umfasst Drohnen und Flugtaxis, die auch auf dem deutschen Markt an Zuspruch gewinnen. Mit zwei großen Flugtaxi-Anbietern (Lilium und Volocopter) scheint es nicht mehr lange zu dauern, bis die ersten Helikopter von Berlin-Schönefeld nach Berlin-Mitte fliegen. Gleichzeitig führt die Freizeit-Nutzung von Drohnen dazu, dass diese bereits jetzt nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind.

Doch Drohnen besitzen weit mehr Vorteile als die Möglichkeit, Luftaufnahmen zu machen und spektakuläre Videos zu drehen: Mit einer professionellen Einführung von Drohnen wird es möglich sein, die Verkehrslage aus der Ferne zu überprüfen, Vermessungen durchzuführen und Produkte über die Luft zu liefern. In Zeiten von Corona nimmt die medizinische Versorgung aktuell einen hohen Wert an und im gleichen Zuge gilt es, Abstand zu halten und Kontakte zu reduzieren. Könnten Drohnen da nicht durch ihre Möglichkeit, kontaktlos Medizinprodukte zu liefern, ein Lösungsansatz sein?

In Ruanda wird dies durch das US-amerikanische Startup Zipline bereits in die Realität umgesetzt, um ländliche Regionen in Notfällen schnell mit medizinischen Produkten zu versorgen. Dass ausgerechnet dieses Land gewählt wurde, liegt unter anderem an der dortigen Regulierung, die die Nutzung von Drohnen ohne großen Aufwand erlaubt. Da die Regierung gezielt technische Innovationen ins Land holen möchte, dürfen Drohnen dort mit einer einfachen Erlaubnis auch über 500 Meter hoch fliegen und hochmotorisierte Drohnen können ohne eine Sondergenehmigung aufsteigen.

In Europa sieht das hingegen anders aus: Hier machen aktuell noch Aspekte wie Lärmschutz, Flugsicherheit oder Privatsphäre einen Strich durch die Rechnung. In Deutschland ist die Nutzung von Drohnen ohne Sondergenehmigung deswegen nur erlaubt, wenn diese in Sichtweite bleiben. Alles darüber hinaus erfordert eine separate Aufstiegserlaubnis, die meist kompliziert zu erhalten ist.Der Aktionsplan der Bundesregierung will nun einen rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen für die Anwendung unbemannter Fluggeräte schaffen und damit die Balance zwischen der Förderung technischer Innovationen in der Luftfahrt einerseits und der Wahrung von Privatsphäre und Lärmschutz andererseits sicherstellen. Eine Initiative, die jedoch eben nicht allein auf den Innovationsdrang der Bundesregierung zurückzuführen ist, sondern viel mehr auf die Gesetzeslage in der Europäischen Union – was dann von der deutschen Exekutive in deren Präsentation gerne einmal vergessen wird.

Das Regelwerk hat seinen Ursprung auf Ebene der Europäischen Union

Seit September 2018 findet die Rechtsetzung für sämtlichen Betrieb unbemannter Fluggeräte auf Ebene der EU statt, um europaweit einheitliche Anforderungen und Regeln zu setzen. Die zu dem Zeitpunkt verabschiedete sogenannte „EASA-Grundverordnung“ definiert Regelungen über alle Arten unbemannter Fluggeräte, inklusive Drohnen. Im Juli 2019 sind zudem zwei delegierte Verordnungen (EU 2019/945 und 2019/947) in Kraft getreten, die nun zum 1. Juli in den Mitgliedsländern in nationales Recht anzuwenden sind. Hierfür wurde der Aktionsplan der Bundesregierung vorgelegt. Das Ziel der Maßnahmen im Aktionsplan ist es, der Leitmarkt in Europa zu werden und gleichzeitig einen hohen Standard im Schutz personenbezogener Daten, der Privatsphäre und der Umwelt zu setzen. Doch während die Maßnahmen als Folge auf die EU-Verordnungen aktuell in die Überarbeitung der Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) einfließen, möchte Deutschland gleichzeitig ein Zeichen in Richtung EU setzen und die Vorreiterrolle innerhalb Europas einnehmen. Dies ist insbesondere in den Bereichen zum Schutz der Umwelt und der Privatsphäre möglich, da diese nicht in der EASA-Verordnung aufgenommen sind und somit in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen.

Eine umgekehrte Beeinflussung der EU-Politik durch die Mitgliedstaaten ist also ebenfalls Alltag. Die Gesetzgebung und das Vorantreiben politischer Vorhaben beruht häufig auf Gegenseitigkeit. Es sind die EU-Verordnungen zu unbemannter Luftfahrt aus 2019, die den deutschen Gesetzgeber dazu auffordern, in diesem Bereich tätig zu werden und seine eigenen Gesetze an die Innovationen und die aktuelle Technik anzupassen. Gleichzeitig ist es aber im zweiten Schritt das Bundesverkehrsministerium (BMVI) selbst, dass nun durch den Spielraum bei der Umsetzung der EU-Verordnungen wiederum Standards setzen möchte. So wird Deutschland an der Entwicklung einer einheitlichen Flugtaxi-Zertifizierung bei der Agentur der EU für Flugsicherheit (EASA) mitarbeiten und zugleich die Erarbeitung von Anforderungen an Flugplätze auf EU-Ebene eng begleiten. EU und Mitgliedstaaten sollen sich dabei in der Entwicklung der entsprechenden Rahmenbedingungen gegenseitig befruchten und zu einer guten Weiterentwicklung führen. Die zwar oft kompliziert erscheinende Gesetzeslage führt so letztlich dazu, dass durch den gegenseitigen Austausch und Anspruch die Umsetzung von Innovationen vorangetrieben wird und eine einheitliche Grundlage in ganz Europa entsteht.

Denn mit einer ausgewogenen Gesetzeslage können Drohnen schließlich dazu beitragen, in Notfällen auszuhelfen oder in Alltagssituationen Aufgaben zu übernehmen. Sie können dazu beitragen, kleine Lieferungen von der Straße zu nehmen und in der Luft zu verteilen oder Medizinprodukte auf direktem Wege von A nach B zu bringen. Schon lange nicht mehr besteht unser gesamtes Verkehrssystem nur aus Autos – Drohnen sind lediglich die nächste Innovation, die unser Mobilitätskonzept ergänzen können und müssen. Mit dem aktuellen Aktionsplan zeigt die Bundesregierung nun, dass sie die Vorteile von Drohnen verstanden hat, diese ausweiten und nutzen möchte, und ist damit auf dem richtigen Weg. Wie die langfristige Einbindung in unser Verkehrskonzept jedoch aussehen wird, ist die Aufgabe von Politik und Wissenschaft gemeinsam. Es bleibt offen, wie die Gesetzgebung in Deutschland konkret lauten wird und ob diese eine kontaktlose Lieferung von Medikamenten eher hindert oder fördert.

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