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Mit dem Start des innerparteilichen Wahlkampfes um den SPD-Vorsitz beginnt das „Battle of Attention“, die Schlacht der Kandidaten um die größtmögliche Aufmerksamkeit. Für die 17 Bewerber um den Vorsitz gilt: Wer sich jetzt nicht profiliert, wird schnell chancenlos, wie ein Blick nach Amerika zeigt: In den USA hatten die Republikaner bei den vergangenen Primaries 17 Kandidaten im Feld, die Demokraten sind jüngst mit mehr als 20 Bewerbern in den anstehenden Vorwahlkampf gestartet. Ein so großes Kandidatenfeld ist weder für Wähler noch für Journalisten übersichtlich. Daher konzentrieren sich Medien auf einige wenige Kandidaten mit höherem Nachrichtenwert.

Diesen Nachrichtenwert können die Kandidaten selbst beeinflussen: Donald Trump etwa provozierte per Twitter und sorgte mit einem exzentrischen Auftreten für Aufsehen. Andrew Yang, der aktuell bei den Demokraten kandidiert, versucht es über außergewöhnliche inhaltliche Positionen wie seine Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Ein Plus in der Aufmerksamkeitsschlacht sind außerdem hohe politische Ämter, die ein Kandidat innehat. Im Falle der SPD trifft das vor allem auf Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu.

Das „Battle of Attention“ funktioniert dabei wie ein Strudel: Zustimmung bekommt nur, wer bekannt ist. Bekannt wird nur, über den berichtet wird. Diese Aufmerksamkeitsökonomie wird am Ende entscheiden, wer als Favorit des jeweiligen Flügels in den Wahlgang geht. Die Bewerberinnen und Bewerber müssen über 23 Regionalkonferenzen die Spannung und Aufmerksamkeit halten – obwohl das Medieninteresse mit der Zeit naturgemäß sinkt. Wahrscheinlich ist deshalb, dass einige Kandidaten gleich zu Beginn große inhaltliche Aufschläge präsentieren, um die Schlacht von vornherein zu dominieren. Ebenso möglich ist, dass manche Kandidaten erst zum Ende starke Positionen einnehmen werden, um so einen bleibenden letzten Eindruck bei den SPD-Mitgliedern zu hinterlassen, die den neuen Vorstand im Oktober und möglicherweise in einer Stichwahl im November wählen.

Entscheidend für die Aufmerksamkeitsschlacht werden die Alleinstellungsmerkmale sein, die jedes Kandidatenduo und der Einzelkandidat für sich in Anspruch nehmen. Das Duo Alexander Ahrens und Simon Lange etwa könnte das Narrativ einer Basis-Bewerbung bemühen und versuchen, sich so im Stile Davids gegen Goliaths insbesondere gegen die konservativen Duos zu inszenieren. Lange hat genau diese Erzählung bereits 2018 erfolgreich gegen Nahles bemüht. Ob Olaf Scholz mit seiner Regierungserfahrung werben wird, bleibt abzuwarten. In der aktuellen Lage wäre es möglicherweise nicht der stärkste Trumpf.

Kräfteverhältnisse und Allianzen

Den vielen bisher eher unbekannten Kandidatenduos aus dem linken Spektrum der Partei stehen im Wahlkampf aus dem konservativeren SPD-Flügel mit Klara Geywitz und Olaf Scholz sowie Petra Köpping und Boris Pistorius zwei bekannte Kandidaten-Duos gegenüber. Nach einer Forsa-Umfrage unter SPD-Mitgliedern würden derzeit 26 Prozent für Geywitz und Scholz stimmen und 12 Prozent für Köpping und Pistorius. Die Stimmen für Nina Scheer und Karl Lauterbach, Christina Kampmann und Michael Roth, Schwan und Stegner sowie weiterer linker Kandidatenduos schwanken zwischen 7 und 14 Prozent – und sind damit deutlich fragmentierter. Da es nach jetzigem Stand aber unwahrscheinlich ist, dass ein Kandidatenduo im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringt, wird es im zweiten Schritt eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten-Duos auf Platz eins und zwei geben. Wenn der linke Flügel sich hier hinter einem Kandidatenduo versammelt, würde er gemäß der Umfrage aktuell mehr Stimmen zusammenbringen als das voraussichtliche Kandidatenduo des konservativen Flügels, Geywitz und Scholz:

Die Daten beruhen auf einer Umfrage vom August, als die Kandidaturen von Hilde Mattheis und Dierk Hierschel, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie Karl-Heinz Brunner noch nicht bekannt waren. Dennoch dürfte sich an den Kräfteverhältnissen kaum etwas geändert haben.

Die GroKo-Gretchenfrage

Bei jedem Kandidatenpärchen stellt sich letztlich die Frage: Pro oder contra GroKo? Gerade die Medien sortieren die Kandidaten primär nach diesem Kriterium. Gleichwohl bleibt die Frage: Ist die GroKo für den internen Wahlkampf entscheidend?

Bekannt ist, dass sich die Mehrheit der SPD-Mitglieder stets mit deutlicher Mehrheit für eine GroKo ausgesprochen haben. Auch die erwähnte Forsa-Umfrage stellte fest, dass aktuell weiterhin 54 Prozent der Mitglieder für den Verbleib in der Regierungskoalition sind und nur 42 Prozent für einen Austritt. Dies spiegelt sich auch in einer parteiinternen Umfrage unter SPD-Mitglieder zu den für die Vorsitzenden-Wahl relevanten Fragen: Demnach sind vor allem Klimaschutz, Umverteilung, Parteiprofil, öffentliche Daseinsvorsorge und das Wählerklientel der Partei für die Mitglieder wichtig. Die Position zum GroKo-Austritt spielt keine größere Rolle.

Mit Blick auf die nächsten Wochen werden für die SPD-Vorsitzenden-Wahl daher folgenden drei Fragen wichtig:

  • Wer wird es schaffen, sich im Kampf um die Aufmerksamkeit aus dem fragmentierten Bewerberfeld abzusetzen und für den jeweiligen Flügel die Spitzenposition einzunehmen?
  • Wird es dem linken SPD-Flügel gelingen, in einer wahrscheinlichen Stichwahl gegen das mutmaßliche Duo Scholz-Geywitz seine Kräfte zu bündeln?
  • Wird sich der SPD-Vorsitzenden-Wahlkampf von der GroKo-Frage lösen können und tatsächlich eine inhaltliche Debatte über die Zukunft der SPD führen?