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Illiberale Ideen sind weltweit auf dem Vormarsch und bedrohen den demokratischen Konsens in vielen Ländern. Wie gehen Staaten mit solchen Bedrohungen um? Welche Staaten gehen gestärkt aus Krisen hervor? Und welche scheitern? Anhand von sechs historischen Fallstudien spürt der amerikanische Intellektuelle Jared Diamond diesen existenziellen Fragen in seinem jüngsten Buch „Upheaval“ nach. In einem kurzen Youtube-Video erklärt Diamond, dass er das Buch auch angesichts der Trump-Präsidentschaft in Amerika geschrieben hat. Er will mit seinen historischen Fallstudien zeigen, dass die Demokratie ein fragiles Gebilde und speziell in Amerika bedroht ist: „This decade really is the most difficult decade in American history. We are facing the biggest problems, possibly the undoing of the political system that has served us so well.“

Wer seinen Bestseller Guns, Germs, and Steel: The Fates of Human Societies gelesen hat, könnte vermuten, dass er die Überlebensfähigkeit von demokratischen Staaten mit ihren geografischen Bedingungen erklärt. Schließlich vertrat er in seinem 1997 erschienenen Buch die These, europäischen und asiatischen Staaten seien global erfolgreich aufgrund ihrer klimatischen Vorteile: Der Nahrungsmittelreichtum habe die Innovationsfähigkeit der europäischen und asiatischen Gesellschaften begünstigt und damit die Erfindung von Waffen und die Verwendung von Stahl ermöglicht. Gleichzeitig habe die frühzeitige Domestizierung wildlebender Tiere Europäer und Asiaten immun gegen Krankheitskeime gemacht.

Doch in „Upheaval“ verweigert Diamond einen solchen geografischen Determinismus. Stattdessen begibt er sich entlang seiner eigenen Biografie auf eine Spurensuche, wie Staaten in der Krise agieren. Diamond schreibt über sechs Länder, zu denen er eine besondere Beziehung hat, weil er dort lebte oder die Landessprache spricht: Diamond blickt nach Deutschland während des Mauerbaus, untersucht Japans Umgang mit seiner eigenen Geschichte, die Folgen der Massaker in Indonesien während der Suharto-Diktatur, Chiles gewaltsames Erbe der Pinochet-Ära, die schmerzliche Lossagung Australiens von der britischen Krone und die finnische Überlebensstrategie im Kalten Krieg.

Diamond entwickelt ein Konzept staatlicher Resilienz, indem er Staaten mit Menschen während der Rekonvaleszenz vergleicht: Selbsterkenntnis und Therapie seien für den erfolgreichen Umgang von Staaten mit Krisen verantwortlich. So sei die mangelnde Aufarbeitung japanischer Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg noch heute ein steter Quell für Rivalitäten Japans mit Korea und China. Auf der anderen Seite können Staaten durch offen gezeigte Selbstkritik und Reue andere Staaten von der Aufrichtigkeit ihrer Anliegen überzeugen. Willy Brandts Kniefall 1970 im Warschauer Ghetto habe aller Welt vor Augen geführt, dass Deutschland mit seiner Nazi-Vergangenheit gebrochen habe. Ohne diesen Bruch mit der eigenen Geschichte wäre die Wiedervereinigung nicht möglich gewesen.

Doch was lehren uns Diamonds Ausführungen für globale Herausforderungen wie Erderwärmung, Ressourcenmangel und atomare Aufrüstung? Leider wenig, wie Diamond selbst zugibt, denn starke nationale Identitäten entfalten keine globale Wirkmacht. Diamond wirft einen sehnsüchtigen Blick nach Europa, dem es gelungen sei, die eigene kriegerische Geschichte hinter sich zu lassen. Den Brexit hält er für einen Fehler. Als Zauberformel für den europäischen Erfolg identifiziert er die Fähigkeit zum Kompromiss. Wer sich das schon eingangs zitierte Youtube-Video ansieht, hört einen nachdenklichen Jared Diamond: „In the United States today political compromise has been breaking down. But political compromise is the essence of democracy.“

Jared Diamond (2019): Upheaval. How Nations cope with Crisis and Change.

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