Steigendes Bevölkerungswachstum, ein wachsender Nahrungsmittelbedarf, abnehmende Biodiversität, der fortschreitende Klimawandel und gestiegene Verbrauchererwartungen – sowohl in Deutschland als auch den USA steht der Agrarsektor vor immensen – und teils sehr ähnlichen – Herausforderungen. Um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, muss die Produktion gesteigert werden. Dies muss jedoch nachhaltig geschehen. Ansonsten läuft der Agrarsektor Gefahr, den Klimawandel und den Verlust an Biodiversität weiter voranzutreiben. Um innovative Lösungen zu finden und ihre Umsetzung zu fördern, hat das Aspen Institute Deutschland daher zusammen mit der University of Illinois Urbana-Champaign ein neues Projekt ins Leben gerufen: das U.S.-German Forum Future Agriculture.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt und der Gesamtbeschäftigung spielt der Agrarsektor weder in den USA noch in Deutschland eine bedeutende Rolle für die Wirtschaft beider Länder. Eine solche enge Betrachtung unterschätzt jedoch den immensen Beitrag, den die Landwirtschaft zur Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt leistet.

In ländlichen Gebieten ist die Landwirtschaft ein wichtiger Bestandteil des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Sie trägt zur Beschäftigung, zum Wachstum und zur Lebensqualität bei und entscheidet damit auch über die Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume, denn gerade dort sind die Auswirkungen des Strukturwandels besonders stark zu spüren. Viele ländliche Gebiete haben mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen, Abwanderungen und Einschränkungen der öffentlichen Infrastruktur (Mobilität, Gesundheitsversorgung, Bildung, Breitband etc.) zu kämpfen. Wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten und das Gefühl, abgehängt zu sein, können leicht zum Nährboden für Populismus und rechte Tendenzen werden. Und oft werden bestehende Entwicklungschancen nur unzureichend ausgeschöpft.

Auch für die Umwelt und das Klima spielt die Landwirtschaft eine erhebliche Rolle. Durch den Einsatz nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken kann sie wesentlich dazu beitragen, die natürlichen Ressourcen zu schützen, die Artenvielfalt zu erhalten und den Klimawandel abzumildern. Gelingt dies nicht, kann sie jedoch auch den Verlust an Biodiversität und den Klimawandel weiter vorantreiben. Die Landwirtschaft muss sich dabei an die Folgen des Klimawandels wie Temperaturanstieg, Dürre und Naturkatastrophen anpassen, die bereits jetzt in Deutschland und den USA spürbar sind und den Agrarsektor hart treffen. Das Risiko von Ertragsverlusten steigt durch ausbleibenden Niederschlag oder Extremwetter wie Stürme, Starkregen, Hagel und Überschwemmungen. Der Klimawandel wirkt sich auch auf die Böden aus. So sind beispielsweise die Wasserreserven in landwirtschaftlich genutzten Böden während der Vegetationsperiode deutlich zurückgegangen. Ernten werden zudem durch invasive Arten und neue Pflanzenkrankheiten bedroht. Die COVID-19-Pandemie, die resultierenden Unterbrechungen der Lieferketten, globale Handelskonflikte, sinkende Erzeugerpreise, steigende Investitionskosten, Preisschwankungen sowie der Mangel an Arbeitskräften haben den Druck auf Landwirt*innen weiter erhöht.

Eine nachhaltige Landwirtschaft ist ein Schlüsselfaktor für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume und die Unterstützung einer gesunden Umwelt. Dafür müssen innovative Lösungen gefunden werden.

Landwirtschaft in den transatlantischen Beziehungen

Die Landwirtschaft ist seit langem ein zentrales Thema für die transatlantische Partnerschaft. Als wichtige Erzeuger von landwirtschaftlichen Produkten haben die Vereinigten Staaten und Deutschland sowohl die Verantwortung als auch die Ressourcen, den Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft für die Landwirtschaft und ländlichen Regionen zu ebnen. Unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die gemeinsamen Ziele erreicht werden können, haben jedoch oft eher zu Konflikten als zu einer Zusammenarbeit geführt. Während die USA oftmals Innovation und technologische Lösungen präferieren, um nachhaltiges Produktivitätswachstum zu erzielen, setzt die EU häufiger auf die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken durch seine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und verbindliche Regulierungen wie beispielsweise Reduktionsziele für Emissionen in seiner neuen „Farm to Fork“-Strategie.

Seit Jahrzehnten streiten die transatlantischen Partner immer wieder über Subventionen, Zölle sowie gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Fragen (unter anderem genveränderte Nahrungsmittel, Hormonfleisch, mit Chlorwasser desinfiziertes Geflügelfleisch und jüngst der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln). Auch in den Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) spielten Bedenken in Hinblick auf Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt eine zentrale Rolle. Die US-Amerikaner*innen sehen die Marktzugangsbeschränkungen der EU und viele der hohen Gesundheits- und Umweltstandards als versteckten Protektionismus. Die Europäer*innen, und insbesondere Deutschland, kritisieren die Produktionsmethoden der USA und befürchten, dass ein größerer Wettbewerb mit den USA zu einer Verschlechterung der Lebensmittel-, Gesundheits- und Umweltstandards führen könnte. Diese Konflikte sind bis heute nicht abgeklungen. In einem Interview vom September 2021 sagte US-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack: „Es ist ziemlich klar, dass es zwei verschiedene Wege gibt, und ich denke, die Vereinigten Staaten und viele andere Länder werden den einen Weg einschlagen [und] die EU wird einen anderen Weg gehen“.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es vielversprechende Fortschritte in Richtung einer stärkeren Koordinierung zwischen den transatlantischen Partnern. Im November 2021 kündigten EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski und US-Agrarminister Vilsack die „EU-US Collaboration Platform on Agriculture“ an. Diese Dialogplattform zielt darauf ab, den Wissensaustausch und das gegenseitige Verständnis zu fördern und die Zusammenarbeit zu verbessern. In ihrem Rahmen hat eine Reihe von Veranstaltungen stattgefunden, die sich vor allem auf die Themen Nachhaltigkeit, Klima und den Austausch in der Agrar- und Ernährungsindustrie konzentrierten. Dies ist ein ermutigendes Beispiel für eine intensivierte künftige Zusammenarbeit.

Das U.S.-German Forum Future Agriculture des Aspen Institute Deutschland

Im Oktober 2022 rief das Aspen Institute Deutschland gemeinsam mit der University of Illinois Urbana-Champaign das U.S.-German Forum Future Agriculture ins Leben. Das Projekt zielt darauf ab, das gegenseitige Verständnis für unterschiedliche landwirtschaftliche Praktiken und Standards zu fördern, die transatlantische Zusammenarbeit voranzutreiben und bestehende Stereotypen abzubauen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wird dieses Projekt deutsche und US-amerikanische Landwirt*innen sowie andere wichtige landwirtschaftliche Akteure aus Forschung und Wirtschaft zusammenbringen. Durch den Erfahrungsaustausch, die Möglichkeit, Best Practices vor Ort zu besichtigen, und den Aufbau neuer transatlantischer Netzwerke wird dieses Projekt eine Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft und einen Ideenaustausch über gemeinsame Herausforderungen und innovative Lösungen ermöglichen.

Das Projekt setzt in jedem Programmjahr einen anderen regionalen und thematischen Schwerpunkt. Der erste Jahrgang, der im Februar 2023 seine Arbeit aufgenommen hat, wird sich vor allem auf das Thema Klimawandel und Ackerbaubereich in der „Corn Belt“-Region im Mittleren Westens der USA und in Ostdeutschland konzentrieren. Im Jahr 2024 wird sich das Projekt auf das Kernthema Digitalisierung in der Viehwirtschaft sowie den Nordwesten Deutschlands und den Nordosten der USA konzentrieren. Beide Jahrgänge werden sich zudem mit der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Dimension der Landwirtschaft und der ländlichen Regionen befassen. Die Entwicklung von Empfehlungen für Entscheidungsträger*innen in Politik, Wirtschaft und Landwirtschaft wird sicherstellen, dass die gewonnenen Erkenntnisse über die Kerngruppe hinaus verbreitet werden.

Nachhaltige Landwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zu den Bemühungen leisten, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die Biodiversität zu fördern und natürliche Ressourcen zu schützen. Gleichzeitig spielt sie eine entscheidende Rolle, um Ernährungssicherheit zu gewährleisten und den sozialen Zusammenhalt zu stärken, indem sie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in ländlichen Regionen fördert. Gestärkte transatlantische Beziehungen im Bereich der Landwirtschaft sind entscheidend, um Landwirt*innen und andere landwirtschaftliche „Stakeholder“ zu unterstützen, die vielfältigen Herausforderungen zu meistern und die Chancen einer nachhaltigen Landwirtschaft zu nutzen.

  • Beitrag von Katja Greeson und Dr. Stormy-Annika Mildner Deprecated: Function strftime() is deprecated in /mnt/web320/e2/23/59262923/htdocs/WordPress_02/wp-content/plugins/qtranslate-xt-3.12.1/qtranslate_date_time.php on line 145 Deprecated: Function strftime() is deprecated in /mnt/web320/e2/23/59262923/htdocs/WordPress_02/wp-content/plugins/qtranslate-xt-3.12.1/qtranslate_date_time.php on line 201 22.3.2023
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