Die Abscheidung und unterirdische Speicherung von Kohlendioxid – Carbon Capture and Storage, kurz CCS – gilt als vielversprechende Lösung, die Klimaziele in Branchen wie der Zement- oder Chemieindustrie zu erreichen. CCS ist 2023 weit oben auf der Agenda der Politik: Die Novellierung des rechtlichen Rahmens, das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG), ist für Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, eines der wichtigsten Vorhaben in diesem Jahr. Bereits im Januar hat er sich deshalb bei seinem Besuch in Norwegen die CCS-Technologie zeigen und vorführen lassen. Darauf folgte eine Vereinbarung mit seinen norwegischen Kollegen: Deutschland importiert blauen Wasserstoff aus Erdgas mit CCS aus Norwegen. Beide Länder möchten zudem die Option einer CO2-Pipeline nach Norwegen prüfen. Am 26. Januar hat der Bundestag außerdem kontrovers über die Chancen und Risiken von CCS debattiert.  

„Lieber CO2 in die Erde als in die Atmosphäre“ 

In der Vergangenheit hatte sich Habeck noch kritisch gegenüber der CCS-Technologie geäußert, mittlerweile spricht er sich für die unterirdische Speicherung von CO2 aus: „Lieber CO2 in der Erde als in der Atmosphäre“, so Habeck. 

Im Rahmen der Carbon Management-Strategie will die Bundesregierung – begleitet durch einen umfassenden Stakeholderdialog aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft –notwendige Anwendungsgebiete der CCS-Technologie und mögliche Speicherorte, insbesondere auch unter dem Meeresboden, beleuchten. Ein weiterer Fokus soll auf Carbon Capture and Utilization (CCU), also der Abscheidung, Transport und anschließenden Nutzung von Kohlenstoff liegen. Die Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens für Planungssicherheit und Investitionssicherheit ist ebenfalls Teil der Carbon Management-Strategie, was unter anderem auf eine Änderung des KSpG hinauslaufen wird. Die Carbon Management-Strategie soll im Laufe des Jahres 2023 vorgelegt werden.  

Aktueller regulatorischer Rahmen in Deutschland 

Für eine Speicherung von CO2 in Deutschland sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz großes Potential unterhalb der deutschen Nordsee. Dafür müsste jedoch der rechtliche Rahmen angepasst werden, denn eine umfassende Speicherung von CO2 ist in Deutschland aus rechtlichen Gründen aktuell nicht möglich. 

Grundlage der derzeitigen rechtlichen Regelungen ist das KSpG vom 17. August 2012. Zweck des Gesetzes ist die Gewährleistung einer dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in unterirdischen Gesteinsschichten zum Schutz des Menschen und der Umwelt, auch in Verantwortung für künftige Generationen. Hierbei stehen derzeit noch Forschung und Erprobung der CCS-Technologie im Vordergrund. 

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 KSpG konnten Anträge für die Zulassung von Kohlendioxidspeichern nur bis Ende 2016 gestellt werden, so dass derzeit eine Zulassung weiterer Speicherstätten ausgeschlossen ist. Außerdem dürfen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 KSpG in den einzelnen Speichern jährlich nicht mehr als 1,3 Millionen Tonnen CO2 eingespeichert werden und gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 KSpG in ganz Deutschland nicht mehr als 4 Millionen Tonnen CO2 jährlich. 

Es gibt im internationalen Umfeld einzelne Projekte, die allein die Mengen von 4 Millionen Tonnen CO2 jährlich überschreiten. Die entsprechenden Mengenbegrenzungen des KSpG führen daher dazu, dass die CCS-Technologie in Deutschland derzeit nicht über Forschungsprojekte und Kleinanlagen hinausgehen kann. 

Dem Export von CO2 zum Zweck der Speicherung unterhalb des Meeresgrundes stehen aktuell zusätzlich völkerrechtliche Vereinbarungen entgegen. Dies gilt namentlich in Bezug auf das sog. London-Protokoll. Derzeit haben 53 Länder das London-Protokoll unterzeichnet, es ist seit dem 24. März 2006 in Kraft. Gemäß Art. 4 Ziff. 1 Nr. 1 des London Protokolls ist das Entsorgen von Müll oder anderen Stoffen in den Meeren grundsätzlich untersagt. Art. 4 Ziff. 1 Nr. 2 schafft eine Ausnahme für im Anhang aufgelistete Stoffe, deren Entsorgung mit Genehmigung zulässig ist. In Anhang 1 Ziff. 1 Nr. 8 werden Kohlendioxidströme aus Kohlendioxidabscheidungsverfahren zur Sequestrierung als Stoff genannt, dessen Entsorgung mit Genehmigung zulässig ist. 

Dagegen verbietet Art. 6 des London Protokolls den Export sämtlicher Stoffe zum Zweck der Entsorgung in den Meeren, ohne eine Ausnahmeregelung wie Art. 4 Ziff. 1 vorzusehen. Ein 2009 vorgeschlagener Art. 6 Ziff. 2, welcher den Export von CO2 zum Zweck der Speicherung unter dem Meeresboden ausdrücklich erlauben soll, wurde bisher nicht ratifiziert. Dies liegt vor allem daran, dass CCS nicht für alle Mitglieder des London Protokolls interessant ist und auch von den grundsätzlich an CCS interessierten Mitgliedsstaaten nur ein Teil auch den Export zur Speicherung unter dem Meeresboden nutzen will. Daher hat die Ratifizierung der Änderung für viele Mitgliedsstaaten keine hohe Priorität. 

Seit 2019 besteht die Möglichkeit, dass Länder für den CO2-Export zur Speicherung unterhalb des Meeresgrundes bilaterale Verträge abschließen. Bisher hat Deutschland diese Option aber nicht genutzt. 

Kommunikationsoffensive für CCS 

Für die notwendigen rechtlichen Anpassungen muss Habeck zunächst wichtige Stakeholder aus den eigenen Reihen von der CCS-Technologie überzeugen, allen voran Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die CCS weiterhin ablehnt und daher nicht mit einer zeitnahen nationalen Regelung rechnet. Die Sprecherin für Energie und Klimaschutz in der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, will CCS nur bei wirklich unvermeidbaren CO2-Emissionen erlauben und verweist auf „massive Folgeverantwortlichkeiten“. CDU und FDP hingegen zeigen sich offen für eine möglichst schnelle Novellierung des KSpG. 

Ein Bundesland, das sich in der Vergangenheit noch vehement gegen CCS ausgesprochen hat und bei Erlass des KSpG im Jahr 2012 auf eine Länderklausel gepocht haben, um CCS im eigenen Bundesland verbieten zu können, erkennt mittlerweile die Vorzüge von CCS: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) möchte CCS nach jahrelanger Ablehnung in seinem Bundesland aus Klimaschutzgründen nun doch zulassen. In anderen Bundesländern wie Brandenburg herrscht noch Streit über den Einsatz von CCS. Jan Redmann, Fraktionsvorsitzender der CDU in Brandenburg, konnte sich bislang noch nicht gegen seine Koalitionspartner SPD und Grüne durchsetzen. Uneinigkeiten über den Einsatz von CCS gibt es aktuell in einigen Bundesländern mit rot-grüner Regierungsbeteiligung, was bei einer Änderung des KSpG noch zu einem echten Krimi werden kann: Das aktuelle KSpG ist ein Zustimmungsgesetz. Sollte dies auch für die Novellierung des KSpG zutreffen, muss die Mehrzahl der Bundesländer der Novellierung aktiv zustimmen, um nicht im Bundesrat zu scheitern. Eine Enthaltung, die bei Unstimmigkeiten innerhalb einer Landesregierung in den meisten Fällen gewählt wird, reicht nicht aus – diese wird im Bundesrat mit einem Nein gleichgesetzt. 

Schließlich muss auch gesamtgesellschaftlich noch einige Überzeugungsarbeit geleistet werden. Bei Erlass des KSpG im Jahr 2012 wurden in einigen Bundesländern Bürgerinitiativen gegründet, um gesellschaftlich gegen die Speicherung von CO2 vorzugehen. Die Bundesregierung scheint jedoch aus dieser Zeit gelernt zu haben: „Eine Strategie, welche den Einsatz von CCS und CCU vorsieht, erfordert ein von der Gesellschaft mehrheitlich getragenes Narrativ. Gesellschaftliche Widerstände haben die Entwicklung von CCS bereits bei der Diskussion des KSpG vor zehn Jahren zum Stillstand gebracht“, so die Bundesregierung im Evaluierungsbericht zum KSpG. Teil der Carbon Management-Strategie soll daher auch eine klare und ehrliche Kommunikation sowie die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Narrativs mit dem Ziel Klimaneutralität sein.  

CCS ist und bleibt ein energie- und klimapolitisch dominierendes Thema in 2023. Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung im Laufe des Jahres eine ambitionierte Carbon Management-Strategie zur Zukunft von CCS in Deutschland vorlegen wird, oder ob die Strategie wie so viele Klimaprojekte der Ampel koalitionsintern blockiert werden wird. Die Debatte im Bundestag am 26. Januar hat jedenfalls gezeigt, dass noch lange keine koalitionsinterne Einigkeit herrscht.