Wenn dieser Beitrag veröffentlicht ist, hat das Bundeskabinett eine besondere Vorlage verabschiedet: den „Entwurf eines Eckpunktepapiers der Bundesregierung zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“. Neben der Tatsache, dass eine mögliche kontrollierte Abgabe von Cannabis ein Novum in der Bundesrepublik darstellt und zumindest von einer lauten Gruppe (auch an Mandatsträgern) dringend gefordert wird, ist aber auch die Beschlussfassung des Bundeskabinetts über Eckpunkte eines zukünftigen Gesetzes eine Besonderheit.
Die Geschäftsordnung der Bundesregierung sieht in §15 vor, dass die Bundesregierung über folgendes berät und Beschluss fasst:
„a) alle Gesetzentwürfe,
b) alle Entwürfe von Verordnungen der Bundesregierung,
c) sonstige Verordnungsentwürfe, wenn sie von besonderer politischer Bedeutung sind,
d) die Stellungnahme des Bundesrates zu den Vorlagen der Bundesregierung,
e) alle Angelegenheiten, für welche Grundgesetz oder Gesetz dieses vorschreiben,
f) Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Bundesministern“
Darüber hinaus sind gewisse Personalentscheidungen abzustimmen.
Die Beschlussfassung zu Eckpunkten anstehender Gesetzesvorhaben findet sich nicht in der Geschäftsordnung. Das gilt jedoch auch für Formulierungshilfen. Bei Formulierungshilfen handelt es sich um Gesetzesvorhaben, die formal durch die regierungstragenden Fraktionen in den Gesetzgebungsprozess eingebracht werden, aufgrund der fachlichen Expertise jedoch durch das zuständige Bundesministerium vorformuliert werden. Dies hat aus gesetzgeberischer Perspektive den Vorteil, das Verfahren zu verkürzen, da der Bundesrat nur einmal eingebunden werden muss. In den letzten Legislaturperioden hat sich mehr und mehr eingebürgert, dass zumindest bei absehbar strittigen Vorhaben auch Formulierungshilfen formal vom Kabinett verabschiedet werden.
Ein Kabinettsbeschluss hat den Vorteil, dass er für die Koalitionspartner und beteiligten Bundesministerien eine politisch verbindlichere und öffentlichkeitswirksamere Wirkung entfaltet als die reine Ressortabstimmung beziehungsweise politische Willensbekundung zwischen den Koalitionären. Insbesondere bei strittigen Themen kann so das federführende Ressort immer wieder auf den formalen Beschluss verweisen, statt lediglich eine informelle oder gar mündliche Absprache zu bemühen. In Koalitionen mit mehreren Partnern oder Konfliktpotential kann dies politisch ein hilfreiches Instrument sein.
Der Vorstoß des Bundesministers für Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) kann daher vor allem zwei Gründe haben:
- Die Diskussionen zwischen den Koalitionspartnern nach Bekanntwerden der ersten Eckpunkte Mitte letzter Woche könnten deutlich eingehegt werden. Auf Basis der Eckpunkte, den von allen Ministerien zugestimmt worden ist, kann die Ausarbeitung eines richtigen Gesetzesentwurf einfacher erfolgen, da nun immer auf den Beschluss verwiesen werden kann. Dies kann zu einer koalitionsinternen Befriedung in der Sache führen.
- Gleichzeitig ist es ein politisches Zeichen nach außen. Die Koalition ist dem Ansinnen gestartet, die Legalisierung möglichst zügig umzusetzen. Das Verfahren läuft seit Monaten unrund und der Zeitplan scheint sich immer weiter zu verschieben. So kann zumindest im Jahresrückblick der Nachweis erbracht werden, hier mit einem Kabinettsbeschluss ein gutes Stück vorangekommen zu sein – insbesondere, da die nun vorgelegten Eckpunkte strukturierter wie auch konsolidierter wirken.
Perspektivisch wird spannend sein, ob diese vermeintliche Formalisierung auch in anderen Vorhaben zunehmen wird. Somit würde weitere politische Bedeutung auf die Staatssekretärsrunde entfallen, die die Vorlagen für das Kabinett vorabstimmen und nur geeinte Vorhaben weiterreicht. Zudem würde das Kabinett wieder eine aktivere Rolle einnehmen und mit seinem politischen Gewicht Vorhaben nach vorne treiben. Mit dem vorgelegten Eckpunktepapier zur Cannabisregulierung kann nun ein erster Testfall dafür beobachtet werden.