Die Europäische Kommission nähert sich ihren ehrgeizigen Klimazielen mit großen Schritten und hat im Rahmen ihres Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft ein neues Paket mit Regulierungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Der Aktionsplan ist ein wesentlicher Bestandteil des EU Green Deals. Viele Maßnahmen des Aktionsplans visieren den Sektor der Consumer und Home Electronics an. Das Paket, das ursprünglich unter dem Titel Initiative für Kreislaufwirtschaft im Elektro- und Elektroniksektor geplant war, wurde nun in mehrere Teilmaßnahmen aufgeteilt, die im Laufe des Jahres 2022 sukzessive veröffentlicht werden. Dazu gehören unter anderem das Recht auf Reparatur von physischen Produkten und Software-Updates sowie „Neue Designanforderungen und Verbraucherrechte für Elektronik“ und mehr. Ähnlich zu der EU-Strategie für nachhaltige Textilien (mehr dazu auf unserem Blog) wird auch hier die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte das wichtigste Durchsetzungsinstrument sein.
Das Problem der Consumer und Home Electronics
Die Europäische Kommission hat Elektro- und Elektronikgeräte als einen der Prioritätssektoren in ihrem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft im Jahr 2020 festgelegt. Schätzungen zufolge werden weniger als 40 % der Elektronikabfälle in der EU recycelt. Darüber hinaus zählt die Elektro- und Elektronikbranche zu einer der Industrien, mit der am stärksten wachsenden Menge an Abfall in der EU, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2 %. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Produktion und der Verkauf von Smartphones zwischen 2020 und 2025 um 28 % zunehmen werden.
Die aktuelle Regelungslage für Consumer und Home Electronics in der EU
Derzeit werden Consumer und Home Electronics in der EU durch eine Vielzahl politischer Instrumente reguliert, darunter Rechtsvorschriften zur allgemeinen Produktsicherheit, sektorspezifische Regelungen sowie Bestimmungen zum Verbraucherschutz. Dieser grundlegende Rahmen wird durch eine Reihe weiterer Regelungsmechanismen ergänzt, wie zum Beispiel den Kennzeichnungsvorschriften und weiteren europäischen Normen.
Große Teile der Gesetzgebung, die Consumer und Home Electronics in der EU betreffen, unterliegen den soeben erwähnten allgemeinen Rechtsvorschriften zur Produktsicherheit und zum Verbraucherschutz. Diese sollen einen breiten Rahmen für alle Produktkategorien bieten. Dazu gehören:
- Die Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte ist der Vorgänger der bereits erwähnten Ökodesign-Verordnung über die umweltgerechte Gestaltung nachhaltiger Produkte, die inzwischen zu einer wirksamen Verordnung geworden ist, deren Geltungsbereich erheblich erweitert wurde.
- Die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit gilt für Konsumgüter, für die es keine spezifischen Vorschriften im EU-Recht gibt. Sie stellt sicher, dass Unternehmen nur für den Verbraucher sichere Produkte auf den Markt bringen. Zusätzlich regelt die Richtlinie die Überwachung durch die nationalen Behörden.
- Die Verbraucherschutzvorschriften haben weitreichende Auswirkungen auf die Unterhaltungselektronik z. B. im Rahmen der sogenannten Warenkauf-Richtlinie, mit der unter anderem eine zweijährige Produktgarantie eingeführt wurde.
- Je nach den individuellen Gegebenheiten der Hersteller sowie den Bestandteilen ihrer Produkte können sie außerdem durch die REACH-Verordnung über die Verwendung von Chemikalien sowie die kürzlich vorgeschlagenen Verordnungen über Batterien und Altbatterien und über Konfliktmineralien betroffen sein.
- Hinzu kommen Informationspflichten, wie sie in der Energieverbrauchskennzeichnung festgelegt sind, sowie ein komplexes Geflecht an Normen und den dafür zuständigen Gremien und Ausschüssen.
Zudem müssen Hersteller und Verkäufer umfangreiche horizontale Rechtsvorschriften einhalten, die auch für andere Sektoren gelten, wie etwa die im Februar 2022 vorgeschlagene Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit. Nähere Informationen zu dieser Initiative finden Sie in unserem entsprechenden Blog-Artikel.
Änderungen und Überarbeitungen im Rahmen der „Circular Economy Initiative“
Insgesamt zielt der im Jahr 2020 vorgestellte Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft darauf ab, die Lebensdauer elektronischer Geräte zu verlängern, eine vorzeitige Obsoleszenz zu verhindern und die Reparatur und das Recycling sowie die effiziente Nutzung von Ressourcen insgesamt zu fördern. Der gewählte Ansatz orientiert sich an der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte. Die Designanforderungen sollen die Haltbarkeit, Modularität, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit von elektronischen Geräten verbessern. Darüber hinaus sollen die Informationsanforderungen Reparaturhandbücher, Quellcode, Komponenten und Materialien, Ersatzteilverfügbarkeit und den ökologischen Fußabdruck umfassen. Ersatzteile sollen in der Regel spezielle Produktions-, Liefer- und Zulassungsanforderungen einhalten. Nachdem der gemeinsame Standard für Ladegeräte eingeführt wurde, stehen nun die Entwicklung von Rücknahmesystemen und die Einführung eines Rechts auf Reparatur auf der Tagesordnung.
Das Recht auf Reparatur
Um das Recht der Verbraucher auf Reparatur fehlerhafter oder defekter Produkte tatsächlich zu etablieren, müssen eine Reihe von Vorschriften geändert werden. Zunächst einmal haben die Gesetzgeber festgestellt, dass die derzeitigen Ökodesign-Anforderungen so angepasst werden müssen, dass Produkte leichter repariert werden können. Zu diesem Zweck befasst sich die Kommission mit der Verfügbarkeit von den Ersatzteilen, die am dringendsten benötigt werden. Diese und andere spezifische Bestimmungen zur Reparaturfähigkeit sind Teil der neu vorgeschlagenen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte.
Außerdem müssen Hersteller und Händler die Kunden über die Reparaturfähigkeit von Produkten informieren. Die Initiative zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel sieht eine obligatorische Kennzeichnung vor, die angibt, wie einfach ein Produkt repariert werden kann, wenn es kaputt ist.
Schließlich muss dieses Recht auch im europäischen Verbrauchervertragsrecht verankert werden. Daher ist für November eine Überarbeitung der Richtlinie über Vertragsregeln für den Verkauf vorgesehen. Wie so oft lohnt es sich, schon jetzt einen genaueren Blick auf die derzeit geltende Version dieser Richtlinie zu werfen, die unter anderem Bestimmungen über die Rückgabe nach dem Kauf enthält. Wenn ein Verbraucher demnach ein Produkt kauft, das sich zum Zeitpunkt des Verkaufs als fehlerhaft erweist, und dieser Fehler innerhalb von zwei Jahren nach der Lieferung des Produkts offensichtlich wird, ist der Verkäufer verpflichtet, die Konformität des Produkts zu gewährleisten. Hierbei hat der Verbraucher die Wahl zwischen einer Nachbesserung oder einer Ersatzlieferung, „es sei denn, die gewählte Abhilfemaßnahme wäre unmöglich oder […] würde den Verkäufer mit unverhältnismäßigen Kosten belasten“ (Art. 13 (2)). Daraus lässt sich das Recht auf Reparatur im Falle der Rückgabe fehlerhafter Produkte innerhalb der Zweijahresfrist ableiten. Da es sich bei dem Text um eine Richtlinie handelt, die in nationales Recht umgesetzt werden muss – und nicht um eine Verordnung, die unmittelbar gilt -, haben die Mitgliedstaaten bereits jetzt die Möglichkeit, strengere Vorschriften und ein expliziteres Recht auf Reparatur einzuführen. In der Richtlinie über Vertragsbestimmungen für den Verkauf sind voraussichtlich eher leichte Anpassungen des Wortlauts als radikale Änderungen des derzeitigen Textes zu erwarten, um das Recht auf Reparatur expliziter zu gestalten.
Die Ankündigung der Europäischen Kommission, ein Recht auf Reparatur einzuführen, ist daher irreführend. Die neuen bzw. überarbeiteten europäischen Rechtsvorschriften sollen die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Reparaturen für die Verbraucher erheblich verbessern und sie über ihre Möglichkeiten informieren. Die Anforderungen, die mit diesen rechtlichen Anpassungen verbunden sind, müssen von den Herstellern und Verkäufern erfüllt werden, was zu Einschränkungen ihrer derzeitigen Geschäftsmodelle und Produktionskonzepte führen kann. Außerdem wird das Recht auf Reparatur dahingehend geändert, dass es auch das Recht auf die Aktualisierung veralteter Software umfasst.
Deutsche Vorhaben und die Gefahr eines Flickenteppichs
Trotz der Fokussierung auf Brüssel und die von dort stammenden europäischen Regelungen lohnt sich ein Blick nach Deutschland. Was plant Europas größte Volkswirtschaft mit Blick auf Nachhaltigkeit im Bereich der Consumer Electronics? Diese Frage ist vor allem vor dem Hintergrund des Regierungswechsels in Deutschland spannend. Seit der Bundestagswahl im letzten Jahr wird das zuständige Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz von der grünen Ministerin Steffi Lemke geleitet.
Schon ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, dass Deutschland in Sachen Nachhaltigkeit und Reparierbarkeit eine Vorreiterrolle einnehmen möchte: Die Stärkung der Herstellerverantwortung in Bezug auf Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit, die Einführung eines digitalen Produktpasses sowie eines Recyclinglabels, ein Reparierbarkeitsindex, eine flexible Gewährleistungsdauer oder ein umfassendes Recht auf Reparatur – allesamt EU-Vorhaben, die sich auch auf der deutschen Agenda wiederfinden.
Das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz ist hier bereits aktiv geworden. So soll in der zweiten Jahreshälfte ein Aktionsplan mit dem Titel „Reparieren statt Wegwerfen“ vorgelegt werden, der insbesondere das Recht auf Reparatur mit Maßnahmen konkretisiert. Hierbei besonders interessant: das Ministerium versteht das Recht auf Reparatur als ganzes Bündel an Instrumenten und Regelungen, die sowohl die EU-Ebene als auch die nationale Ebene betreffen.
Dies wiederum würde einen „Flickenteppich“ an Regulierungen innerhalb der EU bedeuten. Ähnlich verhält es sich mit dem Reparierbarkeitsindex. Idealerweise, so das Ministerium, soll hier ein europaweites Siegel geschaffen werden. Man wolle aber national vorgehen, wenn dieses auf europäischer Ebene nicht zeitnah zustande komme. Bis Mitte 2023 entwickelt das Ministerium zudem ein Prototyp eines digitalen Produktpasses. Dieser soll auch als Vorbild für die EU dienen – das Ministerium will die Standards eines europäischen Produktpasses also aktiv mitgestalten.
Als deutscher Alleingang wäre auch die flexible Gewährleistungsdauer möglich. Denn die bereits angesprochene Warenkauf-Richtlinie formuliert lediglich die Mindestanforderung der derzeit geltenden zweijährigen Gewährleistungsfrist. Die Richtlinie erlaubt den Mitgliedsstaaten, auch längere Fristen einzuführen.
Insgesamt zeigt sich, dass im Bereich Umwelt- und Verbraucherrecht derzeit viel in Bewegung ist – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Viele Initiativen wurden bereits auf den Weg gebracht, befinden sich in der Umsetzung oder sind für die nahe Zukunft geplant. Während die politischen Entscheidungsträger der EU und der Mitgliedstaaten ein politisches Zeichen setzen wollen, müssen Unternehmen der Consumer und Home Electronic Branche alle politischen Ebenen im Auge behalten. Nur so wird sichergestellt, dass neue und überarbeitete Vorschriften sowie mögliche umfangreichere Gesetzesänderungen zielführend ausgerichtet werden. Zusammenfassend wird deutlich, wie relevant es ist, die geltende Gesetzgebung und die betreffenden Vorschriften zu kennen, um sie wirksam zu beeinflussen.