eSports wurde von der aktuellen Bundesregierung nicht explizit in ihrem Koalitionsvertrag aufgegriffen. Die langwierigen Diskussionen aus der letzten Legislaturperiode wirken nach. Jedoch findet tatsächlich politische Arbeit statt, wenngleich teilweise unter dem Radar. Das gilt einerseits für die Bundesebene: Der Parlamentskreis eSports zählt mittlerweile mehr als 60 Mitglieder.

Mindestens genauso bedeutsam sind jedoch die Weichenstellungen in zentralen Bundesländern. Jüngst zeigen die Koalitionsverträge der schwarz-grünen Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein: Anerkennung von eSports geht weit über die Anerkennung durch die Sportdefinition hinaus.

In Nordrhein-Westfalen werden einige praktische Herausforderungen des eSports aufgegriffen. So will sich die neue Landesregierung für die Möglichkeit einsetzen, eSports-Vereine als gemeinnützig anzuerkennen. Das zeigt: Verbesserungen mit praktischen Auswirkungen für die betreffenden Vereine lassen sich jenseits der Grundsatzdiskussion um den genauen Status von eSports erzielen. Auch für „traditionelle“ Vereine, welche eSports anbieten möchten, würde so Rechtssicherheit geschaffen. Durch eine entsprechende Änderung würde ihnen bei Integration eines eSports-Angebotes nicht länger der Verlust der Gemeinnützigkeit drohen. Auch das „Know-how der traditionellen Sportförderung“ soll in den Bereich eSports übertragen und die „E-Sports Player Foundation“ ausgebaut werden. Gleiches gilt für die Förderung von Vielfalt im Bereich eSports.

Auch Schleswig-Holstein hat dem Bereich eSports eine komplette eigene Sektion im Koalitionsvertrag gewidmet. In Kooperation mit der Wissenschaft soll eine E-Sport-Akademie entwickelt werden. Zudem ist die Förderung der Durchführung von E-Sport-Events in Schleswig-Holstein geplant. Der Aufbau eines Landesverbands E-Sport wird unterstützt – dieser soll auch die Trägerschaft des Landeszentrums E-Sport übernehmen. Die Anerkennung von E-Sport auf Bundesebene als gemeinnützig soll unterstützt werden. Weitere substanzielle Verbesserungen sind durch den Zugang zu kommunalen Räumen vorgesehen.

Der schleswig-holsteinische Koalitionsvertrag unterstreicht jedoch auch die länderübergreifende Dimension von eSports. Im Rahmen der Wachstums- und Professionalisierungsperspektive strebt die Landesregierung auch rechtssichere Lösungen für Wetten im Bereich e-Sport an. Damit wird ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der Glücksspielregulierung gesetzt. In der praktischen Umsetzung sind jedoch auch die weiteren Bundesländer beteiligt – aktuell über das Glücksspielkollegium, ab 01. Januar 2023 über die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder.

Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verdeutlichen: Positives Agenda Setting ist im Bereich eSports möglich und sinnvoll. Beide Koalitionsverträge sind meilenweit von den früheren Debatten um „Killerspiele“ entfernt. Sie unterstreichen die Wirksamkeit eines konstanten Austausches mit der Landes- und der kommunalen Ebene. Dieser Austausch schafft ein besseres Verständnis für die tatsächlichen Chancen und Herausforderungen, mit denen sich eSports in Deutschland tatsächlich konfrontiert sieht.

Auch ein Blick auf potenziell kritischere Nebenerscheinungen von eSports ist jedoch sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Schleswig-Holstein sichtbar. Nordrhein-Westfalen sieht Rassismus beim E-Sport als Thema, zu dem ein vertiefter Austausch sinnvoll sei. Schleswig-Holstein spricht im Koalitionsvertrag davon, „die Risiken des E-Sports aufzufangen“. Hierfür sollen Vereine „zum Ausbau von Strukturen zur Suchtprävention und Medienpädagogik“ angehalten werden. Auch die Risiken von Lootboxen werden angesprochen, wenn auch – korrekterweise – nicht unmittelbar mit eSports vermischt.

Beide Koalitionsverträge zeigen also: „Die Politik“ will handeln. Damit das Ergebnis die bestmöglichen Antworten auf die aktuellen Fragen bringt, müssen eSports-Organisationen ebenso wie Publisher und das gesamte „Ökosystem“ ihre Prioritäten aktiv kommunizieren. Dann treffen sie auf ein politisch günstiges Umfeld.