Gemeinsam mit dem Hamburger Tech-Unternehmen Wunder Mobility veröffentlichen wir einen monatlichen Mobility-Policy-Newsletter. Im Fokus stehen alle Fragen rund ums Thema Mobility, Regulierung und Technologie. Auf unserem Blog veröffentlichen wir nun den nächsten Artikel aus dem Newsletter:

Aktuell läuft die Anhörung zur Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) durch das BMVI, bei der beteiligte Verbände ihre Stellungnahmen abgeben können. Im offiziellen Entwurf der Bundesregierung wurden gegenüber den bisherigen Eckpunktepapieren vom 19.06.2020 und 08.10.2020 einige Anforderungen bspw. bezüglich virtueller Haltestellen im Linienbedarfsverkehr wieder gelockert und andere Teile zugunsten des Taxigewerbes zurückgestellt Eine zentrale Änderung im aktuellen Entwurf fällt jedoch am stärksten auf: die zusätzliche Ermächtigung der lokalen Genehmigungsbehörden und ihre Rolle bei der Durchsetzung.

Statt der Landesregierung ist nach dem jüngsten Entwurf nun die jeweilige lokale Genehmigungsbehörde dafür zuständig, Details bezüglich einiger Vorgaben festzulegen. So können diese beispielsweise Ausnahmen rund um die Rückkehrpflicht im Mietwagenverkehr (§ 49 (5) PBefG) oder für gepoolte On-Demand-Dienste bestimmen. Die zuständige Behörde erhält die Kompetenz, Details zur Rückkehrpflicht, Bündelungsquoten und Sozialstandards (§ 50 (4) PBefG) festzusetzen. Eine solche Politikgestaltung auf lokaler Ebene erfordert jedoch auch angemessene Überwachungsinstrumente, welche den Behörden aufgrund der sehr langsamen bundesweiten Einführung digitaler Dienste aktuell weitestgehend fehlen.

Während Debatten lange Zeit jegliche innovative Empfehlungen für Poolingdienste verwässert haben, wird mit der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes nun ein weiterer Versuch unternommen, die Verkehrsinfrastruktur zukünftig digitaler und technologischer zu gestalten. So müssen nach der neu hinzugekommenen Verordnung über die Bereitstellung von Mobilitätsdaten („Mobilitätsdatenverordnung“) auf der Grundlage von § 57 (1) alle Mobilitätsbetreiber ihre statischen und dynamischen Daten über einen nationalen Zugangspunkt bereitstellen. Das bedeutet, dass die nach § 3a des Personenbeförderungsgesetzes bereitzustellenden Daten besonders zugänglich sein müssen und jederzeit in maschinenlesbarer Form angefordert oder empfangen werden können. Die Daten sind elektronisch in Echtzeit zur Verfügung zu stellen.

Bereits jetzt führt dies zu massiven Einschränkungen für die einzelnen Behörden in Deutschland. Denn, sie verfügen nicht nur über unterschiedliche Genehmigungspraktiken, sondern es mangelt ihnen auch an digitaler Infrastruktur, um ein solches maschinenlesbares Format in Echtzeit zu erhalten. Ohne ein klares regulatorisches Instrumentarium und die entsprechenden personellen wie auch finanziellen Ressourcen werden die Kommunen deswegen weiterhin Schwierigkeiten haben, die Anpassung ihrer Infrastruktur zu organisieren. Die für die Umsetzung der neuen Vorgaben zuständigen Stellen werden sich internen Digitalisierungsherausforderungen stellen müssen. Gleichzeitig sind sie gezwungen, lokale Vorschriften mit technisch sehr erfahrenen Mobilitätsanbietern auszuhandeln – mit Sicherheit führt dies zu vielen inhaltlichen Auseinandersetzungen über einzelne Interpretationen der Mobilitätsdatenverordnung.

Der Bedarf an klaren Standards auf den Ebenen der detaillierten Datenstruktur und der Datenschutzinfrastruktur für den Empfang, die Speicherung und die Analyse von Daten in Echtzeit ist deswegen von entscheidender Bedeutung. Sie dienen dazu, einen tatsächlichen Erkenntnisgewinn zu entwickeln.
Für politische Entscheidungsträger und fast 11.000 Kommunen in Deutschland werden unbekannte Faktoren sonst zu unübersichtlichen Verhandlungen mit privaten Mobilitätsanbietern führen, in denen diese versuchen, weitere Schlupflöcher und „Grauzonen“ auszunutzen. Ohne digitales Fachwissen oder föderale Richtlinien werden die Kommunen gezwungen sein, sich auf Mobilitätsanbieter zu verlassen, lesbare Erkenntnisse aus den Daten ihrer Betriebe zu liefern. Die Frage, wie Kommunalbehörden erfolgreiche Mobilität ohne die Einblicke in Rohdaten alternativ organisieren wollen, ist noch immer unbeantwortet.

Während der neue Artikel im Personenbeförderungsgesetz über die Datenbereitstellung gute Absichten hatte, wird die Umsetzung zu einer falschen evidenzbasierten Politikgestaltung für jeden zukünftigen Prozess führen. Und der letztendliche Erfolg der deutschen Verkehrswende mit innovativen digitalen Geschäftsmodellen wird durch unzureichende Vorbereitung gefährdet.

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  • Beitrag von Timm Bopp 3.12.2020
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