Es ist ein vierteljährliches Ritual, das in der Medienbranche Schrecken und Sorgen hervorruft. Kurz nach Beginn des neuen Quartals weist die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern, kurz IVW, die aktuellen Auflagenzahlen deutscher Printmedien aus. Der Trend ist dabei seit Jahren konstant: Von „Focus“ bis „BILD“, von den „Kieler Nachrichten“ bis zum „Münchner Merkur“ – bei fast allen Titel sinken die Auflagen und damit die Reichweite der klassischen gedruckten Medien.

Allein die jüngsten IVW-Zahlen des dritten Quartals 2019 zeichnen ein bisweilen dramatisches Bild. Bei der so genannte „harten Auflage“, die sich aus Abonnements und Einzelverkäufen am Kiosk zusammensetzt, büßte etwa die überregional erscheinende „Welt“ gegenüber dem Vorjahreszeitraum 13,1 Prozent ein. Sie bringt es nun pro Werktag auf lediglich 71.000 verkaufte Exemplare. Groß sind die Verluste auch bei den Boulevardtiteln, die klassischerweise weniger Abonnenten haben und mehr auf den Verkauf im Einzelhandel angewiesen sind. Zwar sind „BILD“ (harte Auflage: rund 1,3 Millionen Exemplare pro Tag) und „BILD am Sonntag“ (harte Auflage: rund 700.000 Exemplare pro Woche) nach wie vor die Zeitungen Deutschlands mit der höchsten Nachfrage. Gegenüber dem dritten Quartal 2018 aber ging die harte Auflage von „BILD“ zuletzt um 140.000 Exemplare zurück (minus 9,9 Prozent), bei „BILD am Sonntag“ sank sie um rund 88.000 (minus 11,1 Prozent). Noch drastischer fällt der Langzeitvergleich aus: Vor 20 Jahren, im Herbst 1999, verkaufte „BILD“ noch weit mehr als 4 Millionen Exemplare pro Tag.

Wenig anders sieht es bei Zeitschriften, Magazinen und regionalen Titel aus. Größter Verlierer unter den Lokalblättern war hier zuletzt nach einer Analyse von MEEDIA die „Hamburger Morgenpost“, die 18,9 Prozent ihrer harten Auflage einbüßte und nun bei 33.000 verkauften Exemplaren liegt. Und auch bei Nachrichtenmagazinen wie dem „Focus“ ging die verkaufte Auflage trotz Zuwächsen im E-Paper-Absatz jüngst leicht zurück.

Für PR und Kommunikation führt dieses Phänomen der Digitalisierung zu drei zentralen Schlüssen.

  1. Printerzeugnisse verlieren, Online-Medien gewinnen an Bedeutung: 

    Mit dem Auflagenrückgang der Printmedien verbunden ist ihr Bedeutungsverlust. Zwar haben Print-Artikel im politischen Raum, wo Pressespiegel weiter eine große Rolle spielen, noch immer Gewicht. Die breite Masse der Bevölkerung aber lässt sich mit Tageszeitungen und gedruckten Magazinen immer seltener erreichen. Online-Medien gewinnen dagegen an Bedeutung: Mit „Bild.de“, „Spiegel Online“ und „Focus Online“ brachten es nach den jüngsten Erhebungen allein die drei größten deutschen Medienmarken gemeinsam auf rund 12 Millionen Unique User pro Tag – Tendenz steigend. Für die Kommunikation folgt daraus: Die Reichweite ihrer Botschaft bemisst sich weniger in der Zahl der angestoßenen Beiträge in klassischen Printzeitungen, sondern vielmehr in der Dauer, die ein Beitrag auf der Startseite großer Online-Medien zu sehen ist.

  2. Die Zahl der Ansprechpartner in den Redaktionen sinkt: 

    Noch immer fehlt es den meisten Verlagen an Ideen für eine ertragreiche Monetarisierung ihrer Online-Angebote, viele Redaktionen sind nach wie vor stark auf Anzeigen- und Verkaufserlöse ihres Printgeschäfts angewiesen. Da letztere mit dem Rückgang der Auflagen sinken, sind die Verlage gezwungen zu sparen – und das häufig beim Personal. Für Kommunikatoren heißt das: Sie finden in den Redaktionen immer weniger Ansprechpartner für ihre Anliegen. Gleichzeitig müssen die verbleibenden Journalisten immer mehr Themen abdecken und Texte verfassen, sodass ihnen zunehmend die Zeit zur langen Recherche fehlt. Die PR muss sich darauf einstellen und sich folglich noch stärker um die Kontaktpflege zu Reportern und Redakteuren kümmern. Mehr noch als früher müssen Kommunikatoren ihre eigenen Botschaften leicht verständlich aufbereiten, sodass Journalisten sie mit geringem Aufwand verarbeiten können.

  3. Eigene Kanäle werden für die Kommunikation wichtiger: 

    Das überlieferte Zitat Gerhard Schröders „Zum Regieren brauche ich BILD, BamS und Glotze“ verliert durch die Digitalisierung und den Bedeutungsverlust von Printmedien (noch mehr) an Wahrheit. Längst hat nicht nur die Politik erkannt, dass es neben Online-Medien heutzutage vielmehr Twitter, Facebook und Instagram braucht, um ihre Botschaften breit zu streuen. Auch Unternehmen und Organisationen suchen gezielt die direkte Ansprache der relevanten Zielgruppen mithilfe der sozialen Medien. Die eigenen Social-Media-Kanäle werden angesichts der sinkenden Printauflagen und den daraus resultierenden schrumpfenden Redaktionen auf doppelte Weise für PR-Experten immer wichtiger: Hier können sie zugleich Medienvertreter und weite Teile der Bevölkerung direkt erreichen.