Greta Thunberg ist ein Phänomen. Seit mehreren Monaten beherrscht die 16-jährigen Schwedin die internationalen Schlagzeilen, die mediale Aufmerksamkeit für Greta nimmt stetig zu – und das obwohl sie bis vor einem Jahr noch niemand kannte. Schon sehen Kritiker eine gezielte Vermarktung im Sinne des Weltklimas hinter Gretas Erfolg. Sie selbst sagt hingegen, die Idee zum Kampf für das Klima habe sie allein gehabt. Doch kann das sein? Und wie hat sich der mediale Hype um sie tatsächlich entwickelt?
Bis Mai 2018 ist Greta Thunberg der Weltöffentlichkeit noch gänzlich unbekannt. Erstmals Erwähnung findet ihr Name in der schwedischen Tageszeitung „Svenska Dagbladet“, wie eine Analyse der schwedischen, deutschen und internationalen Presse zeigt (siehe Grafik). Damaliger Anlass ist ein Schreibwettbewerb der Zeitung, den Greta mit einem Artikel zur Klimapolitik gewinnt. Den Startschuss für die Welle an Aufmerksamkeit, die sie bis heute trägt, liefert dieses Ereignis jedoch noch nicht. Auch drei Monate später, nachdem sie am 20. August 2018 vor dem schwedischen Parlament ihren Schulstreik begonnen hat, bleibt das Interesse der herkömmlichen Medien zunächst gering, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits erste Videos von ihr im Internet kursieren. Das ändert sich erst im Oktober. Anlässlich ihrer Rede bei einer Umweltschutzdemonstration in London berichten mehre internationale Medien über Greta, auch deutsche Zeitungen sind darunter. Sprungartig nimmt ihre Bekanntheit abseits von Schweden nun zu, mit Gretas Auftritt auf der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz berichten immer mehr Medien in ihren Beiträgen von ihr: bis Dezember findet Greta in mehr als 500 Artikeln deutscher Medien Erwähnung, international taucht ihr Name bis Februar 2019 in mehr als 2000 Beiträgen auf. Zuletzt gipfelte die Aufmerksamkeit für Greta in ihrer Teilnahme an den Fridays-for-Future-Demonstrationen in Hamburg und Berlin sowie in der Verleihung des Sonderpreises bei der „Goldenen Kamera“.
Aufmerksamkeit für Greta Thunberg, gemessen in der Erwähnung ihres Namens in Medienbeiträgen – Quelle: eigene Recherche
Wie ist es zu diesem Medien-Hype gekommen? Ist Greta Thunberg lediglich das wirkmächtige Gesicht einer jungen Generation, die für das Klima auf die Straße geht – oder steckt mehr dahinter?
Greta Thunberg sagt immer wieder, sie allein habe die Idee für den Schulstreik gehabt. Zuletzt wiederholte sie diese Aussage in der ARD-Talkshow „Anne Will“: Ihr Kampf für das Klima sei ein persönliches Anliegen, für den sie sich bei anderen Menschen, etwa Wissenschaftler, lediglich Ratschläge einhole. Tatsächlich aber ist längst bekannt, dass mehrere Umweltaktivisten und NGOs Greta unterstützen. Zu den wichtigsten zählt der schwedische Klimaschutzaktivist Bo Thorén, Vorstand der Umweltorganisation Fossilfritt Dalsland (dt.: Fossilfreies Dalsland, eine Region in Schweden) und Repräsentant der internationalen Graswurzelbewegung „Extinction Rebellion“ – jene Gruppe, die auch die Klimaschutz-Proteste im Oktober in London organisiert hat. Schon kurz nachdem Greta den Schreibwettbewerb des „Svenska Dagbladet“ gewann, nahm er Kontakt zu ihr auf, wie Greta später in einem Facebook-Post berichtete. Gemeinsam überlegten sie, wie sich die Klimakrise in den Fokus der medialen Öffentlichkeit lenken ließe. Ist er der eigentliche Erfinder von Gretas Schulstreik, erzählte er ihr von den Studenten im amerikanischen Parkland, die in ähnlicher Weise nach einem Amoklauf für strengere Waffengesetze demonstrierten? Fakt ist, dass Thorén neben einigen anderen Umweltforschern und -aktivisten bis heute eine wichtige Bezugsperson und Impulsgeber für Greta ist – und dass sie Gefallen an der Idee des Schulstreiks fand.
Eine wichtige Rolle spielt ferner der schwedische Unternehmensberater und Kommunikationsexperte Ingmar Rentzhog. Er brachte bereits wenige Stunden nach Beginn ihres Schulstreiks erste Videos von Greta auf Youtube in Umlauf. Rentzhog ist in der Szene der Umweltschützer bestens vernetzt, er hält unter anderem einen engen Draht zu den Unterstützern von Al Gores Climate Reality Project sowie zum People’s Climate Strike. Er nutzte die Aufmerksamkeit für Greta auch, um ein das Klimaschutznetzwerk „We don’t have time!“ aufzubauen. Eine weitere Unterstützerin ist Janine O’Keeffe, die sich ebenfalls bei „Extinction Rebellion“ engagiert. Sie interviewte Greta bereits Ende August in mehrere Youtube-Videos und sorgte so dafür, dass Greta abseits der herkömmlichen Medien erste Bekanntheit erlangte. Ebenfalls von Bedeutung ist Gretas Verbindung zur ghanaischen NGO „Abibiman Foundation“, die ihr Zugang zur UN-Klimakonferenz verschaffte, indem sie Greta zu mehreren Veranstaltungen und Diskussionen einlud.
Sie alle haben einen Anteil am Phänomen Greta. Gleichwohl ist es vor allem die 16-Jährige selbst, die in diesen Tagen kaum eine Möglichkeit auslässt, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Grund dafür ist auch eine Selbsterkenntnis, von der sie jüngst in einem Interview mit „Spiegel Online“ berichtete: „Ich weiß, dass ich nicht mehr lange interessant sein werde für viele Menschen. Aber Aufmerksamkeit für mich selbst ist nicht wichtig. Es geht um das Klima.“