Die politische Risikoanalyse war bis vor wenigen Jahren etwas, mit dem sich nur wenige Unternehmen und Organisationen im Detail beschäftigt haben. In der Rückschau scheint es, dass das politische Risiko einst recht leicht zu verstehen war.

Von unseren Mandanten werden wir zunehmend mit Fragen konfrontiert, die sich um die akuten, aber auch potenziellen politischen Risiken für ein Geschäftsmodell oder eine Businessidee drehen. Immer mehr unserer Ansprechpartner halten Risiken für real und gehen davon aus, dass unerwartete, externe Ereignisse und Faktoren vielfach plötzlich und dramatisch ihre Pläne und Vorhaben beeinflussen werden.

In den vergangenen Jahren haben die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice und die Wirtschaftswissenschaftlerin der Stanford University Amy Zegart gemeinsam ein Seminar geleitet, das die sich permanent verändernde Gestalt politischer Risiken untersucht und zeigt, wie Unternehmen, Organisationen aber auch Individuen damit umgehen können. Daraus ist nun ein Buch entstanden: „Politisches Risiko. Wie Unternehmen und Organisationen globale Unsicherheit antizipieren können“ (Original: Political Risk. How Business and Organisations Can Anticipate Global Insecurity“).

Laut Rice und Zegart tragen eine Reihe von Faktoren zu der Komplexität bei, die die Notwendigkeit eines strukturierten und systematischen Umgangs mit politischen Risiken erforderlich machen:

Technologie und Transport haben es Konsumgüterproduzenten ermöglicht, ihre Beschaffungs- und Produktionsprozesse wie Spinnennetze über die ganze Welt zu legen. All das geschieht unter der Beobachtung von Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, die über eigene Informations- und Kommunikationsnetze verfügen.

Das Internet schafft Sicherheitsrisiken („Cyberthreats“), getrieben von Hackern und sogar Staaten, die immer besser in der Lage sind, Unternehmen und staatliche Organisationen anzugreifen. Stichworte die Rice und Zegart nennen: Diebstahl oder Zerstörung von geistigem Eigentum, Spionage, Erpressung und massive Störung von Unternehmen, Industrien, Regierungen und ganzen Gesellschaften.

Smartphones und Social Media erlauben es Aktivisten, sich weltweit zu vernetzen und Kampagnen zu starten, die einen erheblichen wirtschaftlichen Druck auf ein Unternehmen ausüben können. Der Social-Media-Zyklus stellt eine sehr gegenwärtige Herausforderung für Unternehmen, Investoren und Organisationen dar und damit ein substanzielles Risiko: Stimmungen werden zu Fakten und bestimmen politisches Handeln und staatliche Regulierung.

Rice und Zegart zählen systematisch verschiedene Arten von politischen Risiken auf – vom politischen und geopolitischen über das rechtliche, regulatorische und vertragliche bis hin zu den moderneren Formen von Terrorismus-, Klima- und Cyberrisiken. Die Analyse, wie Unternehmen mit solchen Herausforderungen umgehen oder wie sie sie bewältigen sollten, ist dann auch der Kern ihres Buches. Besonders hilfreich für den Praktiker sind ihre Überlegungen zum Umgang mit politischen Risiken: verstehen, analysieren, mitigieren, reagieren und lernen.

Ganz oben auf der Liste steht die Notwendigkeit zur brutalen Ehrlichkeit über die Risiken, denen Personen, Unternehmen und Organisationen aktuell aber auch zukünftig ausgesetzt sind. Eine schwierige Aufgabe. Dabei helfen drei Fragen:

  1. Wie kommen wir an die relevanten Informationen über die politischen Risiken, denen wir möglicherweise ausgesetzt sind?
  2. Wie stellen wir eine rigorose umfassende Analyse sicher?
  3. Wie integrieren wir die politische Risikoanalyse in unsere Geschäftsentscheidungen?

Die Lektüre des Buches lohnt sich und gibt viele kluge Hinweise zum Umgang mit politischen Risiken, denen man sich stellen muss, bevor sie einen stellen.

Condoleeza Rice and Amy Zegart (2018) Political Risk. How Businesses and Organisations Can Anticipate Global Insecurity, Weidenfeld & Nicolson, London

 

  • Beitrag von Sven Rawe 31.1.2019
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