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Wir lernen regelmäßig durch die Erfahrungen und Expertise von Externen. Unter anderem sprechen wir für unseren Bundestagswahl-Newsletter regelmäßig mit Entscheidungsträgern auf allen politischen Ebenen. Diese Gespräche und die daraus gewonnenen Erkenntnisse können Sie zuerst in unserem Newsletter lesen und später dann auch auf unserem Blog.

Das heutige Interview führen wir mit Fabian Gramling, ehemaliges Mitglied des Landtags Baden-Württemberg und Direktkandidat für die Bundestagswahl 2021. Im Fokus des Gesprächs stehen die verschiedenen Herausforderungen, die bei einem Wechsel aus der Landesebene auf die Bundesebene auftreten, und die möglichen Unterschiede in der Arbeitsweise.


Herr Gramling, Sie waren bis zum Frühjahr diesen Jahres Abgeordneter im Baden-Württembergischen Landtag. Nun bewerben Sie sich um das Direktmandat im Bundestagswahlkreis Neckar-Zaber. Naturgemäß umfasst dieser Bundestagswahlkreis auch Gemeinden, welche nicht Teil Ihres Landtagswahlkreises waren. Ist es für Sie – auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – eine besondere Herausforderung, auch in diesen „neuen“ Städten und Gemeinden die notwendige Bekanntheit zu erlangen? Wie wirkt sich das auf Ihre Wahlkampfformate aus?

Dass „neue“ Gemeinden in den Bundestagswahlkreis fallen, ist Fluch und Segen zugleich. Denn natürlich will ich meinen ehemaligen Landtagswahlkreis, wo ich die letzten fünf Jahre engagiert gewesen bin und schon eine gewisse Bekanntheit erreicht habe, nicht zurücklassen. Da würden die Menschen vor Ort zu Recht feststellen „Kaum ist er für den Bund nominiert, lässt er sich vor Ort nicht mehr blicken“. Deswegen ist es wichtig, die Präsenz vor Ort genau auszutarieren.

Aber natürlich liegt ein Schwerpunkt ebenfalls auf dem Teil des Wahlkreises, der für mich „neu hinzugekommen“ ist. Insgesamt umfasst mein Bundestagswahlkreis ungefähr zweieinhalb Landtagswahlkreise. Da muss man deutlich mehr unterwegs sein.

Und klar, die Pandemie erschwert hier insbesondere den direkten Austausch mit den Menschen vor Ort. Aber sie wirkt sich auch auf die Wahlkampfplanung aus. Man weiß nicht, ob man im September eine größere Veranstaltung machen kann oder nicht.

Grundsätzlich setze ich im Wahlkampf auch auf viele kleine Formate. Dazu gehört mein „Dialog-Pavillon“, mit dem ich im Wahlkreis unterwegs bin: mal nachmittags, mal abends, auch am Wochenende. Ich will damit nicht die Welt erklären, sondern vor Ort ein Gesprächsangebot machen. Gerade auch vor dem Hintergrund der letzten Monate, wo der Dialog ja leider an manchen Stellen zu kurz gekommen ist.

So gehe ich auch in den Endspurt des Wahlkampfes. Ab 15. August beginnt bereits die Briefwahl. Eigentlich sind wir also bereits in der „heißen Phase“. Die gehe ich mit voller Konzentration und voller Power an.

 

Nehmen wir an, Sie werden in den nächsten Bundestag gewählt: Welche Unterschiede erwarten Sie zwischen der Arbeit im Landtag und der Arbeit im Bundestag? Oft wird der Bundestag ja als „weit weg“ wahrgenommen. Gleichzeitig bringt das Direktmandat sicher eine besondere Bindung an den Wahlkreis mit sich. Welche Gewichtung zwischen bundespolitischen Themen und Themen mit direktem Bezug zu Ihrem Wahlkreis erwarten Sie?

Die Frage nach der Erwartungshaltung ist sehr spannend. Als ich vor fünf Jahren in den Landtag eingezogen bin, habe ich auch gedacht, ich weiß ganz genau, wie es laufen wird. Am Ende ist es immer anders, als man denkt. Deswegen bin ich selbst gespannt, wie es dann tatsächlich im Bundestag wäre.

Was ich aber im Landtag gemerkt habe, zumindest in meinem Themenbereich, Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik: Wir haben viel über den besten Weg diskutiert, gestritten und Argumente abgewogen. Aber häufig kamen wir an den Punkt, wo wir festgestellt haben, dass zentrale Aspekte in Berlin entschieden werden. Und das war für mich der Auslöser, mich auch aufgrund meiner bisherigen thematischen Schwerpunkte für die Bundestagskandidatur zu entscheiden. Wenn dann der Vorgänger im Bundestag altersbedingt aufhört, überlegt man sich natürlich dreimal, ob man diese Perspektive verstreichen lässt.

Ich wäre auch gerne im Landtag geblieben. Es war eine sehr spannende Aufgabe, meine Heimatregion dort zu vertreten. Ich bin jedoch bei der Landtagswahl im Frühjahr nicht erneut angetreten. Als ich die Entscheidung gefällt hatte, im September für den Bundestag anzutreten, habe ich mich voll darauf fokussiert – auch, wenn das natürlich ein gewisses Risiko mit sich bringt.

Wie es dann im Bundestag laufen würde? In Stuttgart war ich einer von 43 in der CDU-Landtagsfraktion. Wenn jetzt die Wahl klappen sollte, wäre ich einer von ca. 300 in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das heißt, das Gewicht meiner Worte nimmt erst einmal deutlich und dramatisch ab. Aber natürlich hat man im Bundestag ganz andere Themen und eine ganz andere Reichweite.

Ich glaube schon, dass ich viel mitnehmen kann von der Arbeit im Landtag und den Prozessen. Aber ich bin nicht so naiv zu meinen, dass ich jetzt mit fünf Jahren Erfahrung in den Bundestag starte. Berlin hat andere Strukturen und andere Verfahren, andere Abläufe. Da muss man auch erstmal richtig „reinkommen“.

 

Ein Gremium, wo Sie ja zumindest indirekt schon Berührungspunkte mit der Bundesebene hatten, ist der Landesvorstand der CDU Baden-Württemberg. Dort sitzen auch einige Entscheidungsträger von der Bundesebene am Tisch. Waren Sie auf diesem Weg schon bei manchen Themen indirekt eingebunden oder ggf. auch bereits mit der Landesgruppe Baden-Württemberg in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Kontakt?

Über meine Arbeit im Landtag, meine Mitgliedschaft im Landesvorstand der CDU Baden-Württemberg und auch meine Zeit im Landesvorstand der Jungen Union Baden-Württemberg hatte ich natürlich bereits mit den unterschiedlichen Ebenen zu tun und war auch bei einigen Sitzungen der Landesgruppe dabei. Und im Landesvorstand haben wir bei jeder Sitzung am Anfang den Top 1, „Aktuelles“, in der Regel mit einer Aussprache dazu. Da kriegt man natürlich viel von den Schwerpunkten auf der Bundesebene mit. Und einige Hochkaräter, die bei uns im Landesvorstand sitzen, sind auch in der Bundestagsfraktion bei den Entscheidungen ganz vorne mit dabei. Das macht es sehr spannend und sichert den guten Austausch zwischen Land und Bund.

Das ist auch ein Punkt, den ich mir bewahren möchte. Sie haben es angesprochen: Es heißt häufig „Naja, Berlin und die Berliner ‚Blase‘ sind so weit weg“. Als Außenstehender kann man sich glaube ich schwer vorstellen, welcher Druck auf einem Bundestagsabgeordneten lastet, welches Arbeitspensum gefordert wird und wie schwierig die Entscheidungen sein können. Und jeder Kompromiss muss auch in der Praxis funktionieren, nicht nur im politischen Raum. Auch wenn meine bisherigen Erfahrungen hier vielleicht etwas helfen, gehe ich deshalb, falls ich gewählt werden sollte, auch mit Demut nach Berlin. Aber natürlich freue ich mich darauf.

 

Noch ein Schwenk zu einem inhaltlichen Aspekt: Wie begrenzen wir den Klimawandel, und finden dabei sozialverträgliche Lösungen? Auch vor dem Hintergrund Ihrer bisherigen Schwerpunkte Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik sind sie mit dieser Thematik ja vertraut. Zudem kennen Sie die Zusammenarbeit in einer grün-schwarzen Regierungskoalition. Ohne zu sehr in „Farbenspiele“ einzusteigen: Wie wird man zum klimaneutralen Industrieland? Und inwiefern kann Baden-Württemberg hier schon als eine Art Blaupause für den Bund dienen, wenn auch voraussichtlich mit gedrehten Kräfteverhältnissen?

Ich glaube, wenn man meint, man kann Baden-Württemberg wegen des „Farbenspiels“ als Blaupause nehmen, muss man sich auch die Themenvielfalt auf Bundesebene anschauen. Da reden wir über Auslandseinsätze der Bundeswehr oder über Steuerpolitik, auch über die Frage, ab welchem Einkommen der Spitzensteuersatz greifen sollte. Das sind schon recht grundsätzliche Fragen, wo es einen Dissens gibt. Deshalb ist es glaube ich zu kurz gesprungen, Baden-Württemberg als Blaupause zu sehen. Zumal auch der Ministerpräsident hier teilweise konservativere Positionen vertritt, als manches CDU-Mitglied das vielleicht tut. Auf Bundesebene sind die Unterschiede da deutlicher.

Als Industrieland stehen wir natürlich vor großen Umbrüchen und vor einer dynamischen Zeit. Was mir oft zu kurz kommt, ist die Frage nach dem „Wie“. Wie schaffen wir diesen Umbruch? Und wie schaffen wir ihn so, dass wir die Menschen mitnehmen, die Arbeitsplätze sichern und den Wohlstand erhalten? Verzicht oder gerade auch Verbote – beispielsweise von Inlandsflügen – würden nur einen sehr kleinen Gewinn für das Klima bringen, wenn andere europäische Staaten nicht mitziehen.

Deswegen ist es aus meiner Sicht der falsche Ansatz, einfach zu sagen „Wir verbieten jetzt Kurzstreckenflüge“. Hier steht ja auch die Frage der Definition im Raum. Bei manchen wären damit Flüge nach Mallorca oder Griechenland außen vor. Deshalb sage ich nicht „ich möchte Fliegen verbieten“, sondern „ich möchte Fliegen klimaneutral machen“. Das ist mein Anspruch. Und wenn ich das Ziel verfolge, dass weniger Menschen kurze Strecken fliegen, ist es mein Anspruch, bessere Alternativen zu schaffen. Wenn die Menschen merken, dass der Zug pünktlich kommt, sauber ist und man ohne den Aufwand des Eincheckens direkt in der Innenstadt des Zielorts ankommt, ist das für viele eine attraktive Alternative zum Flug.

Auch bei der Industriepolitik muss man in meinen Augen über den Tellerrand schauen. Beispielsweise haben wir in Baden-Württemberg die Textilproduktion aufgrund von Umweltbedenken von der Schwäbischen Alb „vertrieben“. Dieser Strukturwandel hat zwar insofern funktioniert, dass wir den Verlust von Arbeitsplätzen aufgefangen haben. Aber woher kommt jetzt unsere Kleidung? Ähnlich ist es bei der Stahlproduktion. Wenn wir in Deutschland die nachhaltigste Produktion weltweit haben, wird natürlich immer noch CO2 ausgestoßen. Aber die Alternative ist der Import beispielsweise aus Indien. Dort wird unter Umweltstandards produziert, welche sicherlich nicht an unsere herankommen. Und am Ende ist der Stahl auch noch günstiger. Das ist nicht, was ich will. Wir müssen Industrieland bleiben. Und wenn der Mittelstand einmal verschwunden ist, lässt er sich nicht einfach so „zurückholen“. Das zeigt das Beispiel Frankreich, wo nicht zuletzt die Finanz- und Wirtschaftskrise den Erfolg verhindert hat. Auch den reinen Fokus auf den Dienstleistungssektor, wie in Großbritannien, halte ich nicht für den richtigen Weg.

Deswegen ist es mein großes Anliegen, dass wir Industrieland bleiben – durch unsere Innovationen, durch unsere nachhaltigen Produkte. Wir können damit auch anderen Ländern aufzeigen, dass man Wachstum mit Nachhaltigkeit vereinen kann. Der Dreiklang aus Klimaschutz, wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Sicherheit schließt sich keinesfalls aus. Man kann mit Nachhaltigkeit Wohlstand und Arbeitsplätze schaffen.

Und wenn man das aufzeigt, dann werden auch Schwellenländer kommen und sagen „Wir möchten diesen ‚deutschen Weg‘ auch gehen.“. Wir haben hierzu die Voraussetzungen: Wir haben innovative Produkte. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Recycling, Beton, da haben wir wirklich super Unternehmen: Mittelständler, kluge Köpfe, kluge Ingenieure. Hier müssen wir sagen: Das exportieren wir in Zukunft, damit schaffen wir Arbeitsplätze.

Wir schaffen Wohlstand auch im Ausland, wir behalten ihn in Deutschland und am Ende des Tages leisten wir einen tatsächlichen Beitrag – beispielsweise, wenn wir es schaffen, Fliegen klimaneutral zu machen. Dann muss man kein schlechtes Gewissen haben, wenn man in den Urlaub fliegt, denn man schafft es klimaneutral oder zumindest sehr klimafreundlich. Das ist mein Anspruch an Politik: dass man den Menschen Chancen, Möglichkeiten und Potenziale aufzeigt und dann versucht, diesen Weg zu gehen.

Da bin ich jetzt ein bisschen abgeschweift.

 

Gerade bei diesem Thema ist das „große Bild“ aber natürlich wichtig.

Wenn wir gerade beim großen Bild sind: Ein Punkt, der mir wirklich am Herzen liegt, ist Europa. In den letzten 16 Jahren war Angela Merkel hier eine starke Stimme. Was mich in letzter Zeit schon stark umtreibt, ist die Frage: Wenn sie ihren Platz in Brüssel final räumt, wird dann zunächst ein Machtvakuum entstehen? Ich denke schon.

Deutschland hat seinen aktuellen Platz nicht für sich gepachtet. Und es bewerben sich viele darum, Teile dieses Vakuums zu füllen: sei es in Osteuropa, sei es bei unseren Freunden in Frankreich oder in Spanien oder Italien. Da ist es, glaube ich, für ein starkes Industrieland und eine offene Nation wie Deutschland entscheidend, auch in Zukunft eine starke Stimme zu haben.

 

Man sagt ja oft vor Wahlen, es sei eine „Richtungsentscheidung“. Aber diesmal gehen die Auswirkungen sicher noch über die Bundesebene hinaus. Und es wird automatisch zumindest einen personellen Umbruch geben.

Genau. Also es wird auf jeden Fall sehr spannend werden. Auch wir als CDU haben diesmal nicht das Problem, dass es wie vor vier Jahren heißt „naja, also Merkel wird ja eh Kanzlerin bleiben – schauen wir mal, wer als zweiter über die Ziellinie kommt“. Ich glaube, so wird es diesmal nicht laufen. Aber am Ende steht auch die Frage: Wer regiert am Ende Deutschland, auch jenseits der konkreten Parteiprogramme? Denn wir haben anhand von Corona gesehen: Zwar sind viele Fragen im Koalitionsvertrag geregelt, aber Ereignisse wie der Ausbruch der Pandemie oder die Finanz- und Wirtschaftskrise passieren während einer Legislaturperiode. Deswegen ist es umso wichtiger, dass man nicht nur wegen einzelner Standpunkte ein Kreuz setzt. Am Ende geht es darum, den „Dampfer Deutschland“ in eine gute Zukunft zu führen. Und das muss man immer wieder mit den Menschen diskutieren und davon lernen.

Am Ende entscheidet jeder Wähler, jede Wählerin, in der Wahlkabine, nach bestem Wissen und Gewissen. Und unsere Aufgabe als CDU wird sein, in den nächsten Wochen und Monaten nochmal um ein gutes Ergebnis zu werben.

 

Das ist ein schönes Schlusswort. Wir schauen alle sehr gespannt auf das, was im September passiert. Herzlichen Dank, Herr Gramling.

 

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