Gemeinsam mit dem Hamburger Tech-Unternehmen Wunder Mobility veröffentlichen wir einen monatlichen Mobility-Policy-Newsletter. Im Fokus stehen alle Fragen rund ums Thema Mobility, Regulierung und Technologie. Auf unserem Blog veröffentlichen wir nun den nächsten Artikel aus dem Newsletter:
Vier Wochen vor Jahresende hatte die Deutsche Post DHL bereits mehr Pakete ausgeliefert als im gesamten vergangenen Jahr. Während die gelben Zustellfahrzeuge die deutschen Straßen verstopfen, gab das Unternehmen bekannt, dass bereits 1,6 Milliarden Pakete im ganzen Land transportiert wurden, um die steigende Nachfrage zu befriedigen. Damit übertraf das Unternehmen den eigenen Rekord aus dem Jahr 2019. Vor allem wegen des boomenden E-Commerce-Umsatzes brechen die Logistiker schon seit langem Jahr für Jahr ihre eigenen Rekorde, doch in diesem Jahr geschah es außergewöhnlich früh. In Zeiten von Corona sind die meisten Menschen dazu übergegangen, lieber online als in einem Geschäft einzukaufen. Laut Statistischem Bundesamt verzeichnete der Online-Handel in Deutschland im September 2020 im Vergleich zum Vorjahr einen realen Umsatzzuwachs von 21,2 Prozent. Der Hamburger Paketdienst Hermes rechnet bei diesem Corona-bedingten Boom im E-Commerce mit mehr als 35 Millionen Sendungen in den 3 Wochen vor Weihnachten. Das ist fast ein Drittel der erwarteten Gesamtzahl von 120 Millionen Paketen und Päckchen in der Hauptsaison von Oktober bis Dezember.
Während die Diskussionen um die Verkehrsprobleme aufgrund der hohen Liefermengen schon seit einiger Zeit geführt werden, ringen die zuständigen Behörden weiterhin um die beste Lösung. Es mangelt vor allem an Verantwortung für eine Orchestrierung der verschiedenen Marktteilnehmer, was entscheidenden Einfluss auf die Lösungsfindung hat. Während die Emissionen durch den Einsatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zwar weitgehend reduziert werden können, werden diese neuen Technologien das komplexeste Problem des Stadtverkehrs nicht lösen: Staus. Die Zahlen rund um den motorisierten Verkehr haben Dimensionen erreicht, die unkontrolliert zu einem Zusammenbruch der Infrastruktur führen werden. Zwar können mit Maßnahmen wie einer Limitierung von möglichen Fahrten unternehmensübergreifende Logistikkooperationen motiviert werden, viel wichtiger ist aber die Implementierung von Standards auf (mindestens) nationaler Ebene. Nur so können nachhaltige Rahmenbedingungen Erfolg zeigen.
Die Politik kann Ziele und Rahmenbedingungen setzen und Anreize schaffen. Um aber erfolgreiche, sich selbst tragende Einrichtungen in allen Städten Deutschlands aufzubauen, ist eine branchenübergreifende Zusammenarbeit notwendig. Die Nutzung von Mikrodepots, also kleinen Standorten im Herzen der Stadt, ist eine Voraussetzung für die Lieferung mit kleineren Fahrzeugen wie Fahrrädern. Problematisch sind jedoch die Kosten, die bei solchen logistischen Knotenpunkten im innerstädtische Bereichen entstehen. Städte und Gemeinden können hier eingreifen, indem sie selbst Flächen zur Verfügung stellen. Da die logistische Lieferkette in jeder Stadt jedoch selten von nur einem einzigen Anbieter durchgeführt wird, wird die Vernetzung von Informationen eine wichtige Rolle spielen: Verschiedene Akteure genauso wie die öffentlichen Behörden müssen zusammenarbeiten, um die Effizienz der Städte zu maximieren.
Es bedarf eines übergeordneten kommunalen Akteurs, der die Steuerung und Koordination der innerstädtischen Logistik und der letzten Meile übernimmt. Das zeigt sich in der Vielfalt der Themen, die die Organisation von Mikro-Hubs und innerstädtischer Logistik als solches umfasst: In Hamburg beispielsweise werden Aufgaben wie die Stärkung sogenannter Null-Emissions-Zonen von der Straßenverkehrsbehörde bearbeitet. Der Ausbau des Radwegenetzes, der für die Einbeziehung von Lastenrädern notwendig ist, unterliegt wiederum der Behörde für Verkehr und Mobilität. Auch der Ausbau der elektrischen Verteilnetze für die Ladeinfrastruktur wird u.a. durch das Tiefbauamt geregelt. Während eine anbieterneutrale, digitale Lieferplattform die städtische Logistik innovieren könnte, müsste die rechtliche Prüfung und Einführung von Lieferkonzessionen jedoch durch die Abteilung Hafen und Logistik der Behörde für Wirtschaft und Innovation in Hamburg erfolgen. Schließlich muss der Prozess zur Definition von Baustandards für Micro-Hubs und die Integration in die Stadtplanung nach der Baunutzungsverordnung genehmigt werden, die allerdings keine Schnittmenge zu Logistikabteilung innerhalb der Stadtverwaltung hat.
Verworrene und nicht auf die Anforderungen der Zeit entwickelte Verwaltungsstrukturen innerhalb der Städte stellen somit schon eigene Herausforderungen dar. Internationale Logistikunternehmen stehen aufgrund dieser komplizierten Unterschiede in fast 11.000 Kommunen in Deutschland vor massiven Hürden. Die Einrichtung eines nationalen Lenkungskomitees ist deswegen nicht nur wichtig, sondern notwendig, um einheitliche Informationen für zentrale städtische Anlaufstellen bereitzustellen und nationale Standards zu setzen. Entscheidend ist, dass interdisziplinäre Projekte von staatlicher Seite sowohl fachlich als auch wissenschaftlich begleitet werden. Die Gewährleistung von standardisierten und effizienten Genehmigungsverfahren auf nationaler Ebene für innovative Konzepte wird einen großen Beitrag zur Entwicklung nachhaltiger Städte leisten, insbesondere wenn Neuerungen wie autonome Lieferfahrzeuge zum Mainstream werden.
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