Gemeinsam mit dem Hamburger Tech-Unternehmen Wunder Mobility veröffentlichen wir einen monatlichen Mobility-Policy-Newsletter. Im Fokus stehen alle Fragen rund um das Thema Mobility, Regulierung und Technologie. Auf unserem Blog veröffentlichen wir nun den nächsten Artikel aus dem Newsletter: Ein Interview mit Nikolas Iwan, Chief Executive Officer bei H2 MOBILITY.


Sie setzen sich mit H2 MOBILITY das Ziel, 100 Wasserstoffstationen zu installieren. Warum genau 100? Woher kommt diese Zahl?

Die 100 sind eine historische Zahl und an wichtige Meilensteine verknüpft. So kann man beispielsweise mit 100 Tankstellen sehr viele Menschen erreichen, um genau zu sein sechs Millionen reale Fahrprofile. Das haben wir mittlerweile fast erreicht. Deswegen geht es nun darum, darauf aufzubauen und dieses Netz auch, und vor allem in Richtung Nutzfahrzeuge, upzugraden und zu erweitern.

Wie schauen Sie dann auf die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung? Und wie ordnen Sie die politischen Maßnahmen, die bisher häufig den Fokus auf Elektromobilität legen, ein?

Auf die Wasserstoffstrategie schau ich sehr positiv. Die ist sehr ausgewogen, geht in die richtige Richtung und kann dazu führen, dass Deutschland die Chancen des Wasserstoffs auf allen Ebenen nutzt – sowohl aus industrieller als auch aus umweltpolitischer Sicht. Auf die Handlung der deutschen Automobilhersteller schaue ich hingegen mit großer Besorgnis, da es immer wieder Versuche gibt, Wasserstoff nicht nur zu kritisieren, sondern auch als Thema zu verhindern. Und das wäre eine große, verpasste Chance, denn wir haben nur zwei Möglichkeiten für emissionsfreie Mobilität: Batterie und Wasserstoff – eine davon wegzulassen wäre extrem schädlich. Ich glaube gar nicht mal, dass dieses Szenario, in dem Wasserstoff gestoppt wird, passieren wird. Viel mehr glaube ich aber, dass Deutschland den Anschluss bei der Entwicklung von Wasserstoff verlieren wird. Denn chinesische OEMs lassen sich bereits jetzt darauf ein, in Wasserstoff viel Geld zu investieren, auch wenn dessen Outcome erst in 10-20 Jahren ersichtlich wird. In Deutschland ist das nicht der Fall. Hier wird noch viel vorsichtiger auf Wasserstoff geschaut und dann vermutlich im Jahr 2030 auf die Erfahrung der chinesischen Unternehmen zurückgegriffen.

Wäre Ihr Wunsch an eine neue Bundesregierung also, sich im Rahmen der Dekarbonisierung für mehr Technologieoffenheit einzusetzen – ganz gleich wie diese Regierung dann aussehen wird?

Technologieoffenheit ist hier für mich der falsche Begriff, da damit auch Lösungen wie bspw. LNG berücksichtigt werden müssen, die jedoch keine zero-emission Lösung darstellen. Meines Erachtens gibt es ja eben nur zwei Lösungen: Batterie und Wasserstoff. Und Ziel sollte es sein, zumindest keinen Riegel vor das ein oder andere zu schieben. Stattdessen sollen diese beiden echt unterstützt und mit voller Energie vorangetrieben werden.

Gibt es dafür konkrete Forderungen, wie genau diese beiden Formen vorangetrieben werden können und sollen?

Ja, eine einzige Förderkulisse für elektrische Autos. Also eine Gleichbehandlung von elektrischen Fahrzeugen. Und ob dann die Energie aus der Brennstoffzelle kommt oder aus der Batterie, das sollte die Politik nicht interessieren. Darunter kann man dann alles andere subsumieren: von der Anrechenbarkeit der Einsparung im Verkehr bis hin zur Infrastruktur. Es sollte einen vollen Push auf die Zero Emission Electric Vehicles und alles, was diese unterstützt, geben, und keine Diskriminierung, woher die Energie im Fahrzeug dann letztlich für den E-Motor kommt.

Machen das andere Länder bereits besser, bei denen wir uns was abschauen können?

Ja definitiv. In Deutschland denken wir noch, wir sind Vorreiter, wenn wir jetzt Batterielösungen unterstützen. Aber in China sind Batterien beispielsweise schon ein alter Hut. Die setzen dort jetzt alles auf Wasserstoff, ohne bei der Entwicklung und Nutzung der Batterie irgendwie nachzulassen.
In Kalifornien wiederum haben wir aus Infrastruktursicht einen sehr erfolgreichen Weg, denn da gibt es feste Anteile für Zero Emission Fahrzeuge, die eingehalten werden müssen. Das ist in Deutschland jedoch ein rotes Tuch. Dennoch, wir sind auch hier auf einem guten Weg. Die Regierung sollte lediglich wieder ein Stück mehr Offenheit gegenüber Wasserstoff reinbringen und die Formen unterstützen, die wirklich Zero Emission Mobilität ermöglichen.

In einem Best Case Szenario, wie kann sich die Nutzung von Wasserstoff in den nächsten fünf Jahren entwickeln? Welches Potenzial kann tatsächlich realisiert werden?

In fünf Jahren können realistischer Weise vier Dinge passieren: Erstens kann es im Nutzfahrzeugbereich Fälle geben, bei denen Wasserstoff als wirtschaftliche Lösung wirklich funktioniert, sodass sich der Einsatz auch im größeren Umfang (und nicht nur als Pilot-Case) rentiert. Zweitens kann es sein, dass wir in fünf Jahren einen Elektrolyseur im Maßstab von 100MW bekommen. (Zum Vergleich, aktuell befinden wir uns noch bei ca. 10MW.) Wenn wir das schaffen, dann werden die Kosten extrem sinken und vergleichbar sein wie Diesel. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist sehr hoch. Allerdings hängt es auch hier wieder stark davon ab, dass politisch kein Riegel davorgeschoben wird. Drittens kann es im Zuge dessen passieren, dass man die Relevanz von Netzdienlichkeiten versteht und besser berücksichtigt. Und zu guter Letzt kann in den nächsten fünf Jahren auch ein beständiger Hochlauf der Personenfkraftwagen erfolgen, sodass zum einen große Stückzahlen produziert werden können und zum anderen diese Lösung auch für die Zukunft im Spiel gehalten wird.