Zuckerstangen, Weihnachtsplätzchen, Punsch und Lebkuchen – die Weihnachtszeit lockt mit allerlei Leckereien. Eines haben sie gemeinsam: Süße ist dafür unerlässlich.

Zuckerreiche Produkte und darüber hinaus das Thema Ernährung sind seit jeher politisch. Das schlägt sich in Statements und gut gemeinten Ratschlägen nieder, aber vor allem in konkreter Regulatorik. Hier wird sich im kommenden Kalenderjahr sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene einiges in Bewegung setzen, vor allem in Rahmen des Verbraucherschutzes. Auf der EU-Ebene liegt der Fokus der Gesetzgeber zusätzlich auf der Nachhaltigkeit in der Produktionskette von Süßwaren. Dieser Blogartikel gibt einen Ausblick darauf, was das kommende politische Jahr für betroffene Branchen auf nationaler sowie europäischer Ebene bereithält.

Nationale Vorhaben: Nutri-Score und Reduktionsziele

Der Startschuss zu einer regulatorischen Debatte in Bezug auf Zucker – und sicherlich auch andere Inhaltsstoffe – wird voraussichtlich schon Mitte Dezember 2022 fallen. Der aktuellen internen Kabinettszeitplanung zufolge wird das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am 14. Dezember die Eckpunkte für einen „Weg zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung“ verabschieden. Diese Strategie ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden und soll neben schon bestehenden Maßnahmen (z.B. Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten) auch neue Vorhaben enthalten. Die finale Strategie soll bis Ende 2023 erarbeitet werden, sodass dann ab 2024 mit der Umsetzung begonnen werden kann. Mit hoher Sicherheit kann davon ausgegangen werden, dass Zucker als Inhaltsstoff für weiterverarbeitete Produkte dort prominent vorkommen wird.

Dies verrät allein schon ein Blick in bisher bestehende politische Dokumente. So benennt der aktuelle Koalitionsvertrag mit Blick auf Zucker zwei konkrete Handlungsfelder, an denen gearbeitet werden soll: Zum einen wurden „wissenschaftlich fundierte und auf Zielgruppen abgestimmte Reduktionsziele für Zucker, Fett, Salz“ (S.44 ff.) gemeinsam vereinbart. Zum anderen soll konkret an einer Werbebeschränkung für Produkte mit einem hohen Gehalt an Zucker, Fett oder Salz im Rahmen von Fernsehspots und Werbeanzeigen im Online-Bereich gearbeitet werden, sofern diese spezifisch auf unter 14-Jährige abzielen (S. 45). Darüber hinaus soll auch der Nutri-Score überarbeitet und evaluiert werden (S. 45). Gleichzeitig kann sich das Ministerium auf einen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) berufen, der im Juni 2020 von den zuständigen Landesminister*innen gefasst worden ist und ebenfalls eine Reduktion des Zuckergehaltes in der Ernährung zum Ziel hatte. Die beiden im Koalitionsvertrag aufgenommenen Punkte tauchten, neben anderen Maßnahmen (z.B. Anpassung von Steuern), auch in diesem Beschluss auf. Das BMEL kann bereits auf einen Programmkatalog zurückgreifen. Mit der zuvor schon erwähnten Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten (NRI) hat das Ministerium in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam mit den Herstellern und der Industrie an Selbstverpflichtungen zum Inhalt von Fertigprodukten gearbeitet. Im bisher einzigen Evaluationsbericht zu der Strategie wurden erste Erfolge wie das Verbot von Zuckerzusätzen in Tees für Säuglinge und Kleinkinder erreicht. Als Ausblick sollte der Zwischenbericht die zu dem Zeitpunkt stattfindende Dynamik aufrecht halten und im Idealfall noch verstärken.

Ein Blick zurück ist also sinnvoll, um sich darauf einzustellen, welche regulatorischen Themen und Anforderungen in dem oben beschriebenen politischen Prozess diskutiert werden könnten. Zwar hat der Prozess der Erstellung schon begonnen, nimmt aber erst nach der Vorstellung der Eckpunkte – also im Jahr 2023 – richtig an Dynamik auf. Hier können Unternehmen und Verbände über die offiziellen Beteiligungsformate aber auch durch begleitende Gespräche ihre Positionen und Argumente einbringen und sich an der Ausgestaltung der Ernährungsstrategie der Bundesregierung beteiligen.

State of play in Brüssel

Zusätzlich zur Bundesebene lohnt ein Blick nach Brüssel. Denn auch hier gibt es Bestrebungen, die Hürden für gesunde Ernährung aus dem Weg zu räumen. Zusätzlich weitet sich die europäische regulatorische Debatte auf die Sorgfaltspflicht von Unternehmen in der Lieferkette aus.

Nutri-Score und Nährwertprofile

Mit dem erklärten Ziel der Förderung gesunder Ernährung hat die Europäische Kommission bereits im Mai 2020 im Rahmen des Green Deal die Farm-to-fork-Strategie veröffentlicht. Teil hiervon ist eine geplante Verordnung, die gesundheitsbezogene Angaben auf ungesunden Lebensmitteln strenger regulieren soll. Diese Initiative zu den sogenannten Nährwertprofilen legt Höchstmengen für Nährstoffe wie Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln fest, bei deren Überschreitung die Verwendung von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben eingeschränkt oder sogar verboten wird. Konkret dürften dann zum Beispiel Frühstückszerealien, die eine gewisse Zuckergrenze überschreiten, nicht mehr mit ihrem Vitamin- oder Ballaststoffgehalt werben.

Laut der Strategie können Nährwertprofile als wirksames Instrument zur Aufklärung von Konsument*innen dienen, um fundierte Kaufentscheidungen treffen zu können. Außerdem erwartet die Kommission, dass die Einführung der Nährwertprofile zu einer gesünderen Umformulierung der Zutaten in Lebensmitteln führt. Ähnliche Argumente werden auch von Verfechtern eines mehrfarbigen Nutri-Scores vertreten, der nicht nur in Deutschland diskutiert wird. So haben sich insgesamt sieben europäische Länder dafür ausgesprochen und wollen, dass es auf mehr Produkten angebracht wird: Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Spanien und die Schweiz. Auch Verbraucherschutzorganisationen wie der EU-Verband BEUC unterstützen und fordern Nutri-Score und Nährwertprofile nachdrücklich. Das Europäische Parlament steht einer Einführung von Nährwertprofilen ebenfalls äußerst positiv gegenüber und bezeichnet diese bereits im Oktober 2021 in der Resolution zur Vom Hof auf den Tisch Strategie, die Einführung als „längst überfällig [und] weiterhin sinnvoll und notwendig“.

Kritiker*innen bemängeln jedoch, dass stark vereinfachte Informationslabels bestimmte Lebensmittelgruppen benachteiligen könnten, wenn gesundheitsbewusste Verbraucher*innen diese Produkte aufgrund der Lebensmittelkennzeichen meiden. So tritt Italien beispielsweise seit jeher vehement gegen den Nutri-Score ein, was der neue Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida erst jüngst bei seinem ersten Treffen der zuständigen EU-Minister am 21. November in Brüssel noch einmal betonte. Während der Fahrplan für den Gesetzesentwurf bereits im Dezember 2020 von der Kommission veröffentlicht wurde, steht der Entwurf eines Rechtsaktes für eine vereinheitlichte Lebensmittelkennzeichnung noch aus. Ursprünglich für Ende dieses Jahres vorgesehen, wird sie nun erst im Frühjahr 2023 erwartet.

Nachhaltigkeit in der Süßwaren-Lieferkette

Nicht nur beim Schutz des Endverbrauchers, sondern auch in früheren Stationen der Lieferkette, sind Hersteller von zuckerhaltigen Produkten von regulatorischen Maßnahmen betroffen. So müssen in Deutschland große Unternehmen (ab 3.000 Mitarbeitern) ab dem 1. Januar 2023 den Auflagen des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten („Lieferkettengesetz“) folgen. Ab 2024 wird dieser Wert auf 1.000 Mitarbeiter heruntergesetzt (vgl. Blogartikel für nähere Informationen zum deutschen Gesetz).

Die dem deutschen Lieferkettengesetz analogen Maßnahmen bilden auf EU-Ebene einen von der Europäischen Kommission sukzessive geschaffenen regulatorischen Rahmen von drei Gesetzesvorschlägen:

Mit dem Ziel, die durch die EU verursachte globale Entwaldung und Waldschädigung einzudämmen, hat die Kommission im November 2021 im Rahmen des Green Deal einen Legislativvorschlag vorgelegt, die Entwaldungsverordnung. Diese geplante Verordnung soll Unternehmen Sorgfaltspflichten auferlegen, die Rohstoffe – u.a. Kakao, Palmöl und Zuckerrohr – und einige daraus hergestellte Produkte auf den EU-Markt bringen oder aus der EU ausführen. Doch was bedeutet das konkret für Hersteller von zuckerreichen Produkten und was für die EU-Mitgliedstaaten?

Unternehmen, die die genannten Rohstoffe in der EU auf den Markt bringen, müssen sicherstellen, dass die erzeugten Produkte nicht auf Flächen produziert wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden. Außerdem wären sie verpflichtet, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht Risiken in ihrer Lieferkette zu analysieren und Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Die Kommission plant ein Benchmark-System, das die Erzeugerländer in drei Risikokategorien einteilt – gering, mittel, hoch. Ausgehend von dieser Einteilung soll der Umfang der zu erfüllenden Sorgfaltspflicht angepasst werden.

Der Rat der EU hat im Juni 2022 eine allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag der Kommission festgelegt. Die Verhandlungen zwischen den Legislativorganen haben Ende September begonnen, gestalten sich aber als kontrovers

Parallel zur Entwaldungsverordnung hat die Kommission im Februar 2021 den Richtlinienvorschlag über die Nachhaltigkeits-Sorgfaltspflichten von Unternehmen vorgelegt. Mit dieser Rechtsvorschrift werden Unternehmen allgemeineren Sorgfaltspflichten im Bereich Menschenrechte und Umwelt auferlegt, die für die gesamte Wertschöpfungskette gelten sollen. Süßwaren und andere zuckerreiche Produkte werden wie alle Lebensmittel und Getränke in der Richtlinie als Risikosektoren definiert.(vgl. spezifischer Blogartikel zum Richtlinienvorschlag). Die Entwaldungsverordnung schreibt also genaue Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Entwaldung vor, während die genannte Richtlinie einen Rahmen allgemeinerer Verpflichtungen schafft, deren Geltungsbereich auch die Produktionskette von Süßwaren und anderen zuckerhaltigen Produkten umfasst.

Als Abschluss des Dreiklangs ist der Vorschlag für eine Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt zu nennen. Er wurde erst im September 2022 veröffentlicht und steht daher noch am Anfang des Verfahrens.  Der risikobasierte Ansatz zielt auf die Wahrung der Menschenrechte ab, er verpflichtet alle Unternehmen – auch KMU –­­­ zu einer Sorgfaltspflicht im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit. Entsprechend dem Vorschlag gilt das Verbot sowohl für im Inland hergestellte Produkte als auch für Importe und Exporte. Süßwaren sowie andere zuckerhaltige Produkte könnten von diesem geplanten Rechtsakt betroffen sein, da die zur Herstellung benötigten Rohstoffe häufig aus Ländern mit geringem Arbeitsschutz stammen.

Die Umsetzung der vorgestellten Gesetzesvorhaben wäre ein großer Fortschritt auf dem Weg zu einer gesünderen und nachhaltigeren Gesellschaft. Wenn Konsument*innen eine gesunde Wahl vor dem Supermarktregal treffen sollen, müssen sie dafür bestmöglich informiert sein. Die Politik stellt in Zukunft die Weichen, um dieses Ziel zu erreichen – in Deutschland sowie auf europäischer Ebene. Um optimal auf die kommenden Veränderungen zu reagieren und eine zielführende Ausrichtung der Gesetzesentwürfe zu bewirken, ist es für Unternehmen der Süßwaren und anderen betroffenen Branchen essenziell, alle politischen Ebenen im Auge zu behalten.