In unserer Reihe zur Bundestagswahl 2021 haben wir zuerst einen Blick auf die anstehenden personellen und inhaltlichen Veränderungen im Bereich der Energiepolitik geschaut. In diesem zweiten Beitrag schaut unser Experte Robin Arens auf das Themenfeld „gesundheitlicher Verbraucherschutz“.
Als Querschnitt zwischen Gesundheitspolitik, Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik sowie der klassischen Verbraucherschutzpolitik deckt das Politikfeld „gesundheitlicher Verbraucherschutz“ eine Vielzahl von Themen ab. Da die klassische Verbraucherschutzpolitik in den Wahlprogrammen – aber auch in den parlamentarischen Debatten der vergangenen Jahre – vor allem im Zusammenhang mit der Regulierung von Vertragsgestaltungen, der Regelung von Gewährleistungs- oder Reparaturansprüchen oder der Regulierung von Finanzdienstleistungen stattfindet, fokussieren wir uns in der weiteren Betrachtung auf die Themenbereiche Gesundheit sowie Ernährung & Landwirtschaft.
Wie verändert sich das Akteursfeld mit der Wahl?
Personelle Veränderungen im Themenfeld Ernährung und Landwirtschaft
Ein Blick auf aktuelle Entscheider in den beiden relevanten Themenfeldern weist bereits auf einen gewissen Umbruch nach der Bundestagswahl hin. So verlassen beispielsweise im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft aus den meisten Fraktionen gestandene Fachpolitiker das Parlament freiwillig. Besonders zu nennen sind dabei Alois Gerig (CDU/CSU; Ausschussvorsitzender), Rainer Spiering (SPD, Vorsitzender der AG seiner Fraktion) und Friedrich Ostendorff (Bündnis 90 / Die Grünen, agrarpolitischer Sprecher).
Darüber hinaus ist bei einigen Abgeordneten die Wiederwahl noch unklar, wodurch der Ausschuss in der kommenden Wahlperiode ein gänzlich anderes Gesicht haben könnte. Dazu beitragen werden auch einige „Newcomer“, die eine biographische Nähe zu den Themenbereichen Ernährung und Landwirtschaft aufweisen und auf aussichtsreichen Listenplätzen kandidieren. Insbesondere bei den Grünen zeichnet sich die Wahl von einer Vielzahl an Fachpersonal in den Deutschen Bundestag ab. Exemplarisch zu nennen sind Ophelia Nick (Sprecherin der Bundesarbeitsarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft und ländliche Entwicklung), Anne-Monika Spallek (Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Wald, Landwirtschaft und ländlicher Raum NRW) und Maria Heubuch (ehem. Abgeordnete im EU-Parlament und Landwirtin). Bei den anderen Parteien zeichnet sich – Stand jetzt – kein solch signifikanter Zufluss an externem Fachwissen ab.
Personelle Veränderungen im Themenfeld Gesundheit
In der Gesundheitspolitik, die ohnehin in den vergangenen Jahren an Bedeutung und öffentlicher Betrachtung gewonnen hat, hat der personelle Wechsel schon begonnen. Insbesondere die Union muss sich in der kommenden Legislaturperiode in diesem Themenbereich neu aufstellen: Dr. Georg Nüßlein (CSU; bisher stellv. Fraktionsvorsitzender für Gesundheit) hat sein Mandat schon niedergelegt, während Karin Maag (CDU; Vorsitzende AG Gesundheit und gesundheitspolitische Sprecherin) zum 01. Juli 2021 ihr Mandat zurückgeben wird. Darüber hinaus verlassen mit Lothar Riebsamen (CDU) und Hilde Mattheis (SPD) zwei langgediente Gesundheitspolitiker am Ende der Legislatur ebenfalls das Parlament.
Auch in diesem Politikfeld rücken Politiker nach, die durch ihre vorherige Erfahrung für eine zukünftige Mitgliedschaft im Gesundheitsausschuss prädestiniert sind. So kandidieren mit Marcus Bocklet (Grüne) der aktuelle gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion in Hessen und mit Lars Lindemann (FDP) ein ehemaliges Mitglied des Gesundheitsausschusses, das aktuell Hauptgeschäftsführer eines medizinischen Fachverbandes ist. Mit Paula Piechotta und Johannes Wagner kandidieren bei den Grünen zudem praktizierende Mediziner auf aussichtsreichen Plätzen.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass zwar niemand die genaue Zusammensetzung des zukünftigen Bundestages und der Ausschüsse vorhersehen kann. Dennoch gibt eine grundlegende Analyse des Bewerberfeldes und der aktuellen Abgeordneten einen ersten Hinweis darauf, wie die zukünftige Ausschussbesetzung aussehen könnte. Dies erleichtert es, schon deutlich vor der Wahl relevante Argumente aufzubereiten oder erste Gespräche zu führen, um sich so einen Vorsprung zu erarbeiten.
Wie unterscheiden sich die Parteien inhaltlich?
Inhaltlich zeigt sich im Themenbereich „gesundheitlicher Verbraucherschutz“ eine hohe Ähnlichkeit zwischen der allgemeinen Zielsetzung der bisher vorgelegten Wahlprogramme. Kontroverser wird es beim Blick auf die unterschiedlichen Maßnahmen, mit denen diese Zielstellungen erreicht werden sollen.
Bei der Stärkung von alternativen Ernährungsquellen zeigt sich dieses Spannungsfeld exemplarisch. Während die FDP sich dafür ausspricht, In-Vitro Fleisch zeitnah auf EU-Ebene zuzulassen, planen die Grünen grundsätzlich auf weniger tierische Produkte in der Ernährung zurückzugreifen und verstärkt vegane bzw. vegetarische Ernährung zu fördern. Während die SPD sich erneut zum Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen bekennt, bleibt die Union bei diesen Themen sehr vage.
Ähnliches lässt sich beim Thema Lebensmittelsicherheit und Transparenz bei Lebensmitteln beobachten. Hier pendeln die Positionen zwischen dem Einsatz intelligenter Verpackungen (FDP), dem Ausbau des Nutriscores und seiner europaweiten Verwendung bei Fertigprodukten (Grüne) und einem Tierwohlkennzeichen, dass zwar nahezu alle Parteien wollen, es dann aber doch unterschiedlich ausgestalten würden.
Diese Diversität der Vorschläge bei gleichzeitiger Allgemeinheit der Aussagen im Wahlprogramm unterstreicht, dass es in den anstehenden Verhandlungen zwischen den Parteien – unabhängig von der Parteienkonstellation – zu langen Diskussionen kommen wird, die sich in wie auch immer gearteten Kompromissen niederschlagen werden. Dabei zeigt das Beispiel des Tierwohllabels, dass manche Forderungen allgemein anschlussfähig sind aber auch überall konkrete Vorstellungen existieren, die eine Kompromissfindung auch erschweren können.
Die große Unbekannte – Neuzuschnitt der Ressorts
Ein weiterer spannender Aspekt in der Vorbereitung ist außerdem der zukünftige Ressortzuschnitt der Ministerien. Durch eine Veränderung des bisherigen Ressorts Ernährung und Landwirtschaft könnte sich sowohl thematisch als auch bei den zuständigen Akteuren einiges verändern. Zum Beispiel wäre es möglich, den Bereich Verbraucherschutz wieder in das Ministerium zu integrieren, wodurch die Akzentuierung sich bei diesem Thema auch wieder verschieben würde. Diese Unbekannten sollten bei der Aufbereitung der Argumente und des Akteursfelds mitgedacht werden.
Ist Vorbereitung alles? – Wie man die Koalitionsverhandlungen schon jetzt vorbereiten kann
Public Policy-Verantwortliche sind also schon jetzt gut beraten, die Wahlprogramme systematisch und detailliert aufzubereiten und darauf aufbauend die Botschaften und Forderungen für die Koalitionsverhandlungen vorzubereiten. Nun wo alle Wahlprogramme (oder zumindest die Entwürfe) vorliegen, gilt es alle Vorbereitungen zu treffen, um vorbereitet in die heiße Phase der Koalitionsverhandlungen zu startet. Hierzu gehört eine Bestandsaufnahme, welche Ansprechpartner im Parlament gegebenenfalls wegfallen, welche aber auch nachrücken. Auf inhaltlicher Ebene sollte die Analyse umfassen, welche eigenen Forderungen an die Wahlprogramme wie anschlussfähig sind und wie man seine Argumente schon jetzt in das politische Verfahren einbringen kann.
Insgesamt zeigt sich, dass man als Verantwortlicher in der Interessensvertretung schon jetzt alle relevanten Analysen und Vorbereitungen treffen und damit die Grundlage schaffen kann, um effektiv die Koalitionsverhandlungen zu begleiten. Es bleibt zwar zum Teil eine Ungewissheit, wie sich der Prozess wirklich vollzieht
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