Die Berichtspflichten für Unternehmen werden sich ändern – nur, wohin geht die Reise?
Am 21. April hat die Europäische Kommission mit dem Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive – kurz CSRD – einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der die Vorgaben zur bisher sogenannten „nicht-finanziellen“ Unternehmensberichterstattung konform zu den aktuellen EU-Ambitionen im Bereich nachhaltiger Finanzen abändern will.
Informationen, die sich auf Nachhaltigkeitsthemen beziehen, müssten demnach künftig anhand einheitlicher, verpflichtender Standards berichtet werden. Der Vorschlag liegt nun bei Europäischem Parlament und Rat. Grundsätzlich von breiter Seite begrüßt, steckt der Teufel wie immer im Detail. Insbesondere die Erweiterung des Anwendungsbereichs dürfte für hitzige Diskussionen sorgen, gerade mit Blick auf den nun zugewiesenen Berichterstatter im Parlament: Der MdEP Pascal Durand, früher Mitglied der GRÜNE-EFA-, heute der liberalen Renew-Fraktion, verantwortet das Dossier.
Die CSRD als Ergebnis der Überprüfung der NFRD
Der CSRD-Entwurf geht auf die Überprüfung der Richtlinie 2014/95/EU über nichtfinanzielle Angaben von Großunternehmen (Non-Financial Reporting Directive, NFRD) zurück, die seit dem Berichtsjahr 2017 für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit einer durchschnittlichen Mitarbeiterzahl von mehr als 500 gilt.
Indem der CSRD-Vorschlag das aktuelle Regelwerk der NFRD ersetzt, würden ebenfalls Rechnungslegungs-, Abschlussprüfer-, Transparenz-Richtlinie sowie die Abschlussprüfer-Verordnung geändert werden.
Bisher fallen etwa 11.700 Unternehmen in den Anwendungsbereich der NFRD und sind damit verpflichtet, darüber zu berichten, wie sich Nachhaltigkeitsthemen auf ihre Leistung, Position und Entwicklung auswirken (die „Outside-in“-Perspektive), sowie auf die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Mensch und Umwelt (die „Inside-out“-Perspektive). Diese duale Herangehensweise wird als Prinzip der „Doppelten Wesentlichkeit“ beschrieben.
Hierbei gelten allerdings keine einheitlichen Standards für die Berichterstattung, worin auch schon das Hauptargument für eine Änderung der Richtlinie auszumachen ist, das unter anderem im Rahmen einer öffentlichen Konsultation von Februar bis Juni 2020 vorgebracht wurde.
Bereits mit dem Titel des CSRD-Entwurfs stellt die Kommission klar: eine hierarchische Differenzierung zwischen finanzieller und Nachhaltigkeitsinformation wird es so nicht mehr geben. Nachhaltigkeitsbezogene Informationen sollen künftig auch so genannt werden, der Verweis auf „nicht-finanzielle“ Informationen wird als irreführend gewertet:
Viele Stakeholder halten den Begriff „nicht-finanziell“ für unzutreffend, insbesondere weil er impliziert, dass die betreffenden Informationen keine finanzielle Relevanz haben. Diese finanzielle Relevanz der fraglichen Informationen ist jedoch zunehmend gegeben. Viele Organisationen, Initiativen und Experten in diesem Bereich sprechen deshalb von „Nachhaltigkeitsinformationen“. Es ist daher vorzuziehen, den Begriff „Nachhaltigkeitsinformationen“ anstelle von „nicht-finanziellen Informationen“ zu verwenden.
Insgesamt strebt der Richtlinienvorschlag eine qualitative Verbesserung zugunsten derjenigen an, die Nachhaltigkeitsberichte aktiv als Informationsquelle nutzen, darunter NGOs, aber auch Kreditinstitute und Investoren. Informationen sollen künftig zweckmäßig, zuverlässig, vergleichbar und zugänglich sein, denn dies – so lautet das Argument der Kommission – sei bisher nicht der Fall.
CSRD vs. NFRD – Die wichtigsten Änderungen
Im Mittelpunkt der Änderungsvorschläge steht deshalb die Schaffung verpflichtender Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die EU-weit einheitlich gelten. Entsprechende Standards sollen von einem nicht-staatlich organisierten Expertengremium, der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), entwickelt werden.
Konkret würden diese Standards die folgenden Bereiche unter Berücksichtigung des Prinzips der Doppelten Wesentlichkeit erfassen:
- Geschäftsmodell und Strategie, einschließlich Pläne und Umsetzung;
- Nachhaltigkeitsziele und Fortschritte bei der Erreichung dieser Ziele;
- Rolle der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeit;
- Richtlinien in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren;
- Due-Diligence-Prozesse für die Geschäftstätigkeit und die Lieferkette;
- Hauptrisiken und Abhängigkeiten;
- Indikatoren, die für die Messung aller oben genannten Punkte relevant sind;
- immaterielle Werte, einschließlich des intellektuellen, menschlichen, sozialen und Beziehungskapitals; und
- Prozesse, die durchgeführt werden, um die offengelegten Informationen zu identifizieren.
Des Weiteren würde die CSRD eine Prüfpflicht bei begrenzter Prüfungssicherheit (mit perspektivischer Erweiterung auf eine hinreichende Prüfungssicherheit) sowie Vorgaben zum Berichtsformat etablieren. Eine Vollintegration der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Lagebericht soll diese zudem aufwerten, das Bereitstellen der Information in einem elektronischen, maschinenlesbaren Format deren Nutzung vereinfachen.
Die Erweiterung des Anwendungsbereichs
Als kontroverseste Änderung darf allerdings die Erweiterung des Anwendungsbereichs gewertet werden. Waren bisher nur sehr große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit einer Mitarbeiterschaft von mehr als 500 Personen verpflichtet, sollen die Berichtspflichten nun auf alle börsennotierten Unternehmen – mit Ausnahme von Kleinstunternehmen –, auf alle Kapitalgesellschaften sowie haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften erweitert werden, die im bilanzrechtlichen Sinne als „groß“ gelten.
Nachdem damit auch auf regulierten Märkten notierte KMU verpflichtet sollen, würde die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland damit von bisher ungefähr 500 auf das 30-fache ansteigen; europaweit von knapp 12.000 auf 50.000.
Vor diesem Hintergrund schlägt die Kommission vor, Vorgaben für große Unternehmen und angemessene Standards für KMU separat voneinander zu entwickeln, wobei nicht notierte KMU diese auf freiwilliger Basis anwenden können.
Diesbezüglich hatte die Kommission hat wiederholt argumentiert, dass es ohnehin einen Trend zu verstärkter Nachfrage von nachhaltigkeitsbezogenen Informationen gebe, mit dem auch viele kleinere Unternehmen konfrontiert seien, die deshalb dazu bereit wären, entsprechend zu berichten.
Um den nun neu verpflichteten KMU entgegenzukommen, solle außerdem eine Übergangsphase von drei Jahren vereinbart werden, während der gelistete KMU sukzessive umstellen könnten und hierzu dezidiert Unterstützung erhalten sollen.
Ein wunder Punkt aus Unternehmens- und vor allem Mittelstandsperspektive
Folgt man den bereits abgegebenen Kommentaren betroffener Stakeholder stellen sowohl die vorgesehene Umsetzungsfrist, wonach die zu entwickelnden Standards bereits in der Berichtsperiode 2023 umgesetzt werden müssten, sowie insbesondere die Erweiterung des Anwendungsbereichs aus unternehmerischer Perspektive eine große Herausforderung dar.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) geht beispielsweise davon aus, dass pro Unternehmen eine ganze Stelle geschaffen werden müsste, um den Berichtspflichten gerecht zu werden. Der Parlamentskreis Mittelstand Europe (PKM Europe) der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament argumentiert
„So geht die Kommission davon aus, dass die bevorzugte Option einmalige Initialisierungskosten in Höhe von ca. 24.000 EUR plus jährlich wiederkehrende Kosten in Höhe von 72.000 EUR pro Unternehmen verursachen wird. Dem gegenüber stehen geschätzte jährliche Kosteneinsparung von 24.000 bis 42.000 EUR pro Unternehmen, wenn die vorgesehenen Standards zusätzliche Informationsanfragen eliminieren. Faktisch ist dies für jedes Unternehmen ein Verlustgeschäft. (…) Dies gilt insbesondere für die mittelständischen Unternehmen, die neu von den Berichtspflichten betroffen sein werden.“
und fordert ein Moratorium für neue, zusätzliche Berichtspflichten und -vorgaben für Unternehmen mit weniger als 500.
Ausblick
Sollte der Richtlinienvorschlag zur CSRD in dieser Form angenommen werden, bliebe das NFRD-Regelwerk bis 2023 in Kraft. Die Kommission plant, die angesprochenen delegierten Rechtsakte zur Einführung verbindlicher Standards für große Unternehmen bis 31. Oktober 2022 zu verabschieden, sodass diese für das Berichtsjahr 2023 zum ersten Mal Anwendung finden würden.
Nach der Veröffentlichung durch die Kommission liegt der Vorschlag jetzt bei Europäischem Parlament und Rat. Auch hier sind hitzige Diskussionen vorprogrammiert. Der Franzose Pascal Durand, früher Mitglied der GRÜNE-EFA-, heute der liberalen Renew-Fraktion, hat die Berichterstattung übernommen.
Der Vorschlag kann noch bis zum 14. Juli kann gegenüber der Kommission kommentiert werden.
Kontakt
Elisabeth von Reitzenstein, reitzenstein@bernstein-group.com
Yvonne Gross, gross@bernstein-group.com