Das politische Entscheidungsfenster bis zur nächsten Bundestagswahl schließt sich bereits: Bis zum Ende der Legislaturperiode sind noch 22 Sitzungswochen terminiert, in denen die parlamentarischen Beratungen stattfinden können und in denen möglichst viele politische Pläne umgesetzt werden sollen. Daher stellt sich aktuell bei vielen Unternehmen und Public Policy-Verantwortlichen die Frage, ob noch ein angekündigtes oder geplantes Gesetz in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Dabei gilt:

Das Diskontinuitätsprinzip setzt die politischen Entscheider unter hohen Zeitdruck:

Dieses Prinzip besagt, dass alle Vorlagen, die nicht abschließend vom Parlament behandelt worden sind, als erledigt gelten. Ausnahmen sind Petitionen und Dokumente, die nicht vom Bundestag beschlossen werden müssen. Sollte das neu zusammengesetzte Parlament oder die neue Bundesregierung dennoch ein Vorhaben (erneut) umsetzen wollen, müsste der gesamte Gesetzgebungsprozess neu begonnen werden. Das bedeutet, dass Vorhaben sich deutlich verzögern: Denn nach den geführten Koalitionsverhandlungen müssen die Vorlagen angepasst werden, erneut vom Kabinett beschlossen werden, vom Bundesrat beraten werden und gehen erst dann wieder in das reguläre parlamentarische Verfahren. So wurde zum Beispiel das Tabakwerbeverbot, welches 2016 vom Kabinett beschlossen wurde, erst 2020 vom Parlament final angenommen. Darüber hinaus stehen generell Vorhaben, die bisher noch nicht angegangen worden sind, von Anfang an unter einem hohen Zeitdruck. Denn Referentenentwürfe, parlamentarische Aushandlungsprozesse und Anhörungen sind zeitintensiv. Ein Beispiel aus dem Energiebereich ist die Novellierung des EEG. Diese soll frühestens am 23. September vom Kabinett verabschiedet werden und wird voraussichtlich einige Monate Beratungen in Anspruch nehmen. Zum Vergleich: Die letzte große EEG-Novelle wurde im Juli 2016 verabschiedet. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium hatte im Juli 2015 einen ersten Eckpunktevorschlag und den Referentenentwurf für das Gesetz im April 2016 vorgelegt.

Gesetzgebungsverfahren sind immer von aktuellen Themen und Verfahren abhängig:

Durch die Coronakrise und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen ist der finanzielle Spielraum für finanzintensive Vorhaben deutlich begrenzter, wenn nicht sogar komplett ausgeschöpft. Zudem hat die weiterhin andauernde Situation dazu geführt, dass politische Vorhaben sowie Themen neu priorisiert worden sind. So sind arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Themen in ihrer Bedeutung in den letzten Monaten stark gestiegen. Es werden nun andere Themen in der restlichen Legislaturperiode im Vordergrund stehen als noch vor sechs Monaten erwartet. Außerdem wird der nun beginnende Wahlkampf zu einer Verschiebung der Prioritäten und Vorhaben sowohl im Hinblick auf die restliche Legislatur als auch auf den Haushalt 2021 führen.

Unternehmen müssen die restliche Legislaturperiode genau beobachten und sich gleichzeitig auf die kommenden Koalitionsverhandlungen vorbereiten:

Das letzte Parlamentsjahr muss besonders intensiv begleitet und die Vorhaben genau im Blick gehabt werden. Denn je weniger Zeit bis zur Wahl bleibt, desto eher die Gefahr, dass Vorhaben „durchgewunken“ oder in Paketen verabschiedet werden. Das kann zu einem bösen Erwachen führen, nachdem eine Regelung schon getroffen worden ist. Daher können vor allem zum Ende einer Legislatur gut aufbereitete Informationen für die entsprechenden Entscheider negative Überraschungen vermeiden. Zudem sind die „gescheiterten“ Vorhaben ein erster Indikator dafür, welche Themen im neuen Koalitionsvertrag erneut behandelt werden könnten und welche nicht. Hier wird sowohl die Zusammensetzung der neuen Regierung (ein Vorhaben der Union wird wahrscheinlicher im kommenden Koalitionsvertrag auftauchen als ein Vorschlag der SPD) als auch die allgemeine politische Situation (z.B. Corona) eine gewichtige Rolle spielen. Daher können sich die Public-Policy Verantwortlichen in Unternehmen mithilfe von fundierter Beratung strategisch schon heute auf die kommenden Koalitionsverhandlungen vorbereiten. Insgesamt bedarf es nun einer noch engeren Begleitung der Parlamentsprozesse, eines Contingency Plans, sofern kurzfristig doch noch relevante Vorhaben eingebracht werden und eine strategische Planung, wie die Koalitionsverhandlungen und der Beginn der neuen Legislatur begleitet werden sollen.

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